Helfer in Afghanistan, Angola und Liberia
Mathias Fromelius geht mit "Ärzte ohne Grenzen" zu Menschen in den Krisenregionen der Welt
"Ein Vierteljahr Deutschland wird mir gut tun", sagt Mathias Fromelius. Dieser Tage ist er von seinem letzten Afrikaeinsatz für "Ärzte ohne Grenzen" zurückgekehrt. "Mal sehen, wo ich im nächsten Jahr gebraucht werde." Bis dahin ist er erst einmal arbeitslos.
Mathias Fromelius ist 28 Jahre alt und absolvierte eine Ausbildung in der Krankenpflegeschule des St. Caroluskrankenhauses in Görlitz. Ab 1996 arbeitete er als Pfleger in der Dresdener Uniklinik. Das war eine Zwischenstation, denn er hatte andere Ziele. Schon als Heranwachsender wollte er "irgendwo in der Welt Hilfe leisten". Inzwischen ist er mit "Ärzte ohne Grenzen" in vielen Krisengebieten dieser Welt gewesen. Briefe, die er von dort geschrieben hat, haben in der Cottbuser Mariengemeinde die Runde gemacht und die Leser beeindruckt.
Als Mathias Fromelius seine Idee vor einigen Jahren umsetzen wollte, erwies sich das als gar nicht so einfach. Die Hilfsorganisationen, bei denen er nachfragte, stellten Bedingungen: mehrjährige Berufserfahrung, möglichst Auslandserfahrung, Bewerbungsgespräch in Englisch! Schließlich traf er auf "Ärzte ohne Grenzen". Hier fasziniert Mathias Fromelius die Unabhängigkeit gegenüber Politik, Parteien, Wirtschaftsinteressen, aber auch gegenüber religiösen und ethnischen Überzeugungen. Das gilt übrigens auch für den eigenen Glauben: "Ich lebe meinen Glauben, aber Parteilichkeit darf nicht einmal im Ansatz erkennbar sein", berichtet Mathias Fromelius.
"Ärzte ohne Grenzen" ist in den Konfliktgebieten -wenn irgendwie möglich -auf beiden Seiten tätig. "In Afghanistan arbeitete ich in einem Krankenhaus in der von Nordmilizen beherrschten Region, andere Mitarbeiter waren in den Hoheitsgebieten der Taliban. Ebenso ist es in Afrika: Ob in den Gebieten der Rebellen oder der Regierungstruppen, wir helfen überall!"
Doch bevor er dorthin konnte, musste Mathias Fromelius eine harte Vorbereitung durchlaufen: Zwei Jahre Englischabendkurs in Dresden, dann mit Hilfe eines Stipendiums zweimonatiger Kurs für Tropenmedizin in Liverpool. Unmittelbar danach, Anfang Juli 2001, folgte der erster Auslandseinsatz in Afghanistan. Als er im Radio die Berichte von den Anschlägen vom 11. September in den USA hörte, wusste er, es wird prekär. Am 13. September folgte die Evakuierung. Drei Tage waren sie im Jeep ins benachbarte Tadschikistan unterwegs, nach Duschanbe. "Die anschließende Rückkehr nach Deutschland war mir gar nicht recht", meint Mathias Fromelius. "Wir ließen hilflose Menschen zurück, die wegen medizinischer Hilfe oft tagelang auf dem Esel unterwegs waren." Im Oktober konnte die gesamte Gruppe für acht Monate zurück nach Afghanistan.
"Unsere Aufgabe besteht mehr in der Logistik: überwachen, koordinieren, heranschaffen. Das medizinische Personal vor Ort mit moderner Medizin vertraut machen, anleiten und ihnen helfen", berichtet Mathias Fromelius über seine Arbeit. "Das wird schnell zum 24-Stunden-Job, wenn man sich nicht zwingt, irgendwann am Abend abzuschalten um neu Kräfte zu sammeln." Die mehrmonatigen Einsätze sind über Verträge auf eine bestimmte Zeit begrenzt. Ist die Zeit abgelaufen, übernimmt ein neues Team die Arbeit. Vor Ort gibt es ein Taschengeld, in Afghanistan beispielsweise einen Dollar pro Tag. Eine Aufwandsentschädigung geht auf das Heimatkonto.
Für Mathias Fromelius folgte auf Afghanisthan im Spätsommer 2002 Angola. "Für Afrika hatte ich eigentlich immer schon einen Faible." Hier lernte er die vergessenen Konflikte dieser Welt kennen. Nach 27 Jahren Bürgerkrieg in Angola war gerade ein Friedensabkommen unterzeichnet, und Kriegsteilnehmer beider Seiten strömten aus dem Busch in die Städte, ausgehungert und verwahrlost. Darunter viele Kindersoldaten. "Wir kümmerten uns vorwiegend um Kinder. Richteten eine Kinderstation mit 80 Betten und fünf ambulante Gesundheitszentren in Menongie, einer Stadt mit etwa 10 000 Einwohnern -ohne Flüchtlinge gerechnet -ein".
Angola ist das am meisten verminte Land der Erde. Die Dörfer sind schwer erreichbar. "Trotzdem errichteten wir mobile ambulante Stationen im Busch." Dabei berichtet Mathias Fromelius von der sehr fruchtbaren Zusammenarbeit mit den engagierten, einheimischen Partnern, denen es aber an den materiellen Voraussetzungen fehlt. "Dank der Spendenbereitschaft in Europa konnten wir vielen Menschen helfen."
Nach acht Monaten in Angola ging es zurück nach Deutschland. Im letzten Sommer hieß es dann: Cholera in Liberia. In und um Monrovia tobte noch der seit zehn Jahren andauernde Bürgerkrieg. So war der erste Aufenthalt nur kurz. Die Stadt und das Gelände der Klinik lag immer wieder unter Beschuss. "Durch das Blechdach schlugen Querschläger von Gewehrfeuer. Dazu kamen Plünderungen von Rebellen und Regierungstruppen. Kindersoldaten mit Kalaschnikow, teilweise mit Drogen voll gepumpt, sind unberechenbar", berichtet Mathias Formelius. Bis auf ein kleines Kernteam wurde die ganze Mannschaft nach Freetown in Sierra Leone evakuiert, um aber nach kurzer Zeit wieder nach Monrovia zu den Cholerakranken zurück zu kehren. "Die entwurzelten Menschen, denen es am Nötigsten fehlt, brauchen unsere Hilfe. Und wer keinen Idealismus mitbringt, sollte zu Hause bleiben", heißt die Erfahrung eines jungen Mannes, den man nicht alle Tag trifft.
Auf die Frage, wie seine Eltern mit diesem Engagement und seinen Gefahren umgehen, lächelt er zunächst etwas verlegen: "Freilich sorgen sie sich, aber wir sind über Handy in relativ regelmäßigem Kontakt. Und in den Weg gelegt haben sie mir ernsthaft nie etwas."
Klaus Schirmer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 17.11.2003