Anerkennung für drei Weggefährten
Magdeburger Lothar-Kreyssig-Friedenspreis ging an Nestoren der Aktion Sühnezeichen
Magdeburg -"Wir alle haben in der Schule kaum etwas gelernt über die stillen Helden der Humanität und von den Siegen durch Gewaltlosigkeit", sagt Wolfgang Böhmer. Der sachsenanhaltische CDU-Ministerpräsident würdigt mit diesen Worten drei Persönlichkeiten, die am 8. November in Magdeburg für ihre Bemühungen um die Aussöhnung der Deutschen mit den europäischen Völkern mit dem Lothar- Kreyssig-Friedenspreis geehrt werden. Es sind langjährige Aktive der "Aktion Sühnezeichen" und Weggefährten des Mannes, der dem Preis den Namen gab. Geehrt werden der Sozialpädagoge Günter Särchen aus Wittichenau sowie die Theologen Hans Richard Nevermann aus Stipsdorf bei Bad Segeberg und Franz von Hammerstein aus Berlin.
Es sei viel zu wenig bekannt, fährt Böhmer fort, dass die in ganz Deutschland bekannte "Aktion Sühnezeichen" in Magdeburg gegründet wurde. Er hoffe, dass sie nicht nur eine Nachkriegsaktion bleibt, denn "der Grundgedanke der Sühne bleibt immer aktuell". Der vom evangelischen Kirchenkreis Magdeburg gestiftete Friedenspreis wird seit 1999 aller zwei Jahre zu Beginn der Friedensdekade vergeben. Er erinnert an den couragierten evangelischen Christen und Juristen Lothar Kreyssig (1898 -1986). Dieser protestierte zum Beispiel gegen die Morde an Behinderten zur NS-Zeit und wurde deshalb Ende 1940 vom Richteramt beurlaubt. Am 30. April 1958 gründete Lothar Kreyssig in Magdeburg die "Aktion Sühnezeichen" für Friedensund Aufbaudienste in Europa.
Seine Söhne würdigen die Arbeit der Preisträger: "Ich stehe mit großer Bewunderung vor der Weisheit und Engelsgeduld von Günter Särchen", sagt Dekan i. R. Peter Kreyssig über den 76- jährigen katholischen Sozialpädagogen Särchen, der wegen Erkrankung nicht an der Preisverleihung teilnehmen kann. Der in der "Katholischen Bildstelle" in Magdeburg tätige Särchen begründete im Rahmen der "Aktion Sühnezeichen" das so genannte Polenseminar, durch das deutsch-polnische Begegnungen außerhalb staatlicher Kontrolle möglich wurden. Einen prominenten Fürsprecher fand Särchen schon 1963 in dem damaligen Erzbischof Karol Wojtyla, dem heutigen Papst Johannes Paul II. (Mehr zu Särchen in der nächsten Ausgabe.)
Der 82-jährige Franz von Hammerstein war als Industriepfarrer in (West-)Berlin maßgeblich an der Freiwilligen-Werbung für die "Sühnezeichen"- Dienste beteiligt und von 1968 bis 1975 auch Generalsekretär der Aktion. "Sein Leben war und ist angefüllt mit Arbeit für Verfolgte", würdigt Jochen Kreyssig den Preisträger. Prägend dafür mögen Erlebnisse in jungen Jahren gewesen sein, denn als Angehöriger einer Widerstandsfamilie kam von Hammerstein 1944 in "Sippenhaft" in die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau.
Der Pfarrer im Ruhestand Hans Richard Nevermann (80) begann 1959 seine Tätigkeit bei der "Aktion Sühnezeichen" und war von 1968 bis 1982 mit Unterbrechungen deren Vorsitzender. Laudator Uwe Kreyssig erinnert an einen der ersten Arbeitseinsätze, den Nevermann leitete: den Neubau für eine Behinderteneinrichtung 1959 in der Nähe von Narvik (Norwegen) unter widrigsten klimatischen Bedingungen. Nevermann war es, der in diesen Monaten eine Art "Lebensordnung" entwickelte, die fortan bei allen "Sühnzeichen"- Lagern gelten sollte.
Angela Stoye
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 17.11.2003