Versöhnung gepredigt
"Kirche in Not" hilft in 130 Ländern
Mit einem Spendenaufkommen von rund 70 Millionen Euro jährlich gehört die internationale Organisation "Kirche in Not / Ostpriesterhilfe" mit Sitz in Königstein / Taunus zu den größten katholischen Hilfswerken weltweit. 1947 vom Prämonstratenserpater Werenfried van Straaten gegründet, ist sie heute in 130 Ländern der Erde tätig. Ein Schwerpunkt ist die Unterstützung pastoraler Projekte in den früheren kommunistischen Ländern. Der TAG DES HERRN sprach mit dem Präsidenten des Hilfswerkes, dem Schweizer Theologen und Journalisten Hans-Peter Röthlin.
Frage: Herr Röthlin, Ihre Organisation hat seit der Gründung vor allem Projekte in Ost- und Mitteleuropa unterstützt. Wie würden Sie heute die Situation der Kirche dort einschätzen?
Röthlin: Wir können als Hilfswerk nur schwer beurteilen, wie es der Kirche in der Region insgesamt geht, das können nur die Verantwortlichen vor Ort tun. Unter dem Gesichtspunkt der Hilfe kann ich sagen, dass wir natürlich seit der Wende ganz andere Möglichkeiten haben, insbesondere in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Wir können ungehindert arbeiten, können den Priestern zu einer wirklichen Aus- und Fortbildung verhelfen oder auch die vielen kontemplativen Orden unterstützen, damit diese ein einigermaßen menschenwürdigen Leben führen und ihren Dienst in der Kirche tun können
Frage: Wo ist die Hilfe am nötigsten?
Röthlin: Zunächst muss ich sagen, dass wir nicht nur die Kirche im Osten Europas unterstützen. Es ist zwar ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit, aber nur einer. Wir helfen vor allem der verfolgten Kirche in China, Vietnam, Laos und Kuba. Immer mehr Gewicht bekommt für uns die junge afrikanische Kirche, die auch teilweise im Sudan und in Nord- Nigeria verfolgt wird. Nötig ist unsere Hilfe eben dort, wo Kirche in Not ist. Im Osten Europas gibt es aber in der Tat immer noch viele Bereiche, die unserer Unterstützung besonders bedürfen. Im Gespräch mit polnischen Bischöfen habe ich unlängst gemerkt, wie schwer es kontemplative Orden auch in der postkommunistischen Zeit haben. Der Zeitgeist hat eben kein Verständnis für solche Berufungen. Was uns sehr freut, ist, dass wir in der Ukraine jetzt ein Priesterseminar bauen können, ein Wunsch, den unser Gründer seit vielen Jahren hegte.
Frage: Dieser Gründer, Werenfried van Straaten, hat auch besonderes Augenmerk auf die Seelsorge der Mitarbeiter gelegt, weil heute so manche Predigt zu "liberalen Gedanken" neigt. Hat er auch die geistliche Not der Kirche gesehen?
Röthlin: Werenfried van Straaten hatte immer sehr klar vor Augen, dass man das Evangelium rein und unverkürzt verkünden muss, "gelegen oder ungelegen", wie der heilige Paulus sagt. Ebenso hat er es aber immer wieder erlebt, dass hier Abstriche gemacht werden, gerade in der westlichen Kirche. Großen Wert legte Pater Werenfried darauf, dass Kirche in Not nicht nur ein Hilfswerk, sondern auch ein geistliches Werk ist, und dass sich die Mitarbeiter dieser großartigen Aufgabe bewusst sind. Klar muss sein, dass wir nicht der Mittelpunkt sind, sondern lediglich der "Kanal" für das Handeln Gottes. Unser Tun muss deshalb vom Gebet, von der Liebe und der Treue zum Papst und der Kirche geprägt sein. Überhaupt nicht einverstanden war Pater Werenfried übrigens mit kirchlichen Bestrebungen, die auf ein Zusammenspiel mit den kommunistischen Machthabern hinter dem Eisernen Vorhang zielten.
Frage: Begonnen hat Ihr Werk mit der Hilfe für die deutschen Kriegsflüchtlinge aus den Ostgebieten. Van Straaten wollte aber nicht nur materielle Hilfe leisten, sondern vor allem eine Versöhnung zwischen den sich bekriegenden Völkern, ein friedliches Zusammenleben in einem Europa der Freiheit. Ist diese Versöhnung gelungen?
Röthlin: Ich glaube, Pater Werenfried hat mehr erreicht als mancher verdienstvolle Politiker, der sich um den Frieden und die Freiheit in Europa bemüht hat -er hat den Menschen ins Herz gepredigt, dass man den alten Feinden verzeihen muss. Damit wollte er klar machen, dass man eigentlich nicht als Christ leben kann, wenn man diesen Schritt der Versöhnung nicht geht. Besonders die Deutschen sind ihm dankbar dafür. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Versöhnung zwischen den Völkern gelungen.
Interview: Andreas Schuppert
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 01.12.2003