Grenzgänger zwischen Ost und West
Erinnerungen an Prälat Johannes Zinke
Berlin (mh) -Die katholische Kirche in der DDR hätte wohl auch ohne ihn die 40 Jahre Sozialismus überlebt, wahrscheinlich aber unter viel schwierigeren Bedingungen: Bis zu seinem Tod 1968 war Prälat Johannes Zinke fast zwei Jahrzehnte Leiter der Hauptvertretung der Caritas und Geschäftsträger des Commissariats der Fuldaer Bischofskonferenz in Berlin. Als solcher hat er die Rahmenbedingungen für das Leben der katholischen Kirche in der DDR wesentlich mitbestimmt -angefangen von der Finanzierung über die Sicherung der Eigenständigkeit der katholischen Krankenhäuser bis hin zu Verhandlungen mit der Staatssicherheit über humanitäre Fragen. Sein 100. Geburtstag war jetzt Anlass, mit einer Festveranstaltung in Berlin an ihn zu erinnern. Weggefährten ließen seine Person lebendig werden und heute Verantwortliche würdigten ihn als "kirchlichen Grenzgänger zwischen Ost und West", und als einen, dessen Handeln unter dem Motto stand: "Wir finden uns nicht mit dem ab, was wir vorfinden."
Johannes Zinke ist 1903 in Schlesien geboren, wurde 1928 für das Erzbistum Breslau zum Priester geweiht und kam 1946 nach Berlin, um hier für die Not leidenden Vertriebenen zu sorgen. Einzelheiten aus der dann folgenden Zeit berichtete Zinkes Nachfolger Heinz-Dietrich Thiel: Das Besondere an Zinke sei gewesen, dass er sich als Mann der Kirche verstand, in vollkommener Loyalität gegenüber den Bischöfen. Einem solchen Mann vertrauten die Bischöfe wichtige Aufgaben an. Fast täglich pendelte Zinke deshalb auch nach dem Mauerbau über den Bahnhof Berlin-Friedrichstraße zwischen West und Ost, einzig ausgestattet mit einem Schreiben des Berliner Bischofs, das die Wichtigkeit seines Dienstes bestätigte.
Sein Weg führte Zinke häufig zu verschiedenen DDR-Behörden. Als 1954 in Berlin-Biesdorf vier Jesuiten verhaftet worden waren, entstand der Kontakt zur Staatssicherheit, den Zinke dann als Beauftragter der Bischöfe regelmäßig pflegte. Mit dem Außenhandelsministerium schuf er eine Regelung zur Finanzierung der DDR-Kirche. 30 Millionen D-Mark flossen so jährlich in bar, als Geräte oder für Bauarbeiten in den Osten. Strikt vermied Zinke dabei immer den Begriff Vertrag, sprach stattdessen von Regelungen, um auch so die Eigenständigkeit der Kirche in der DDR zu sichern. Aus diesem Grund hat er auch früh dafür gesorgt, dass die Caritas-Einrichtungen direkt den Bischöfen unterstellt waren. Das führte im Osten Deutschlands zu einer bis heute spürbar engeren Verbindung zwischen Kirche und Caritas als im Westen, hob Thiel ein Verdienst Zinkes hervor.
Zwei Jahrzenhte Arbeit -ohne Urlaub, ohne freies Wochenende -gingen nicht spurlos an Johannes Zinke vorüber. 1968 starb er im Berliner Hedwigskrankenhaus. Auf die Frage nach der Todesursache sagte der behandelnde Arzt: "Der Mann war total verausgabt."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 01.12.2003