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Rumpfbeugen statt Kniebeugen

Manfred Lütz' Buch "Lebenslust" setzt sich spöttisch mit der "Gesundheitsreligion" auseinander

Dresden (tg) -Diäten zum Abnehmen, Joggen, Body-Workout, chirurgische Körperkorrekturen, teure Behandlungen beim Arzt -für kaum etwas Anderes wird nach Ansicht von Manfred Lütz so viel Mühe und Geld investiert wie für die Gesundheit. Der 48-jährige Kölner Theologe und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie meint, der Drang danach, gesund, fit und schön zu sein, habe längst alle Grenzen des Angemessenen überschritten -er sei zu einer neuen Religion geworden. "Unsere Vorfahren bauten Kathedralen, wir bauen Kliniken. Unsere Vorfahren machten Kniebeugen, wir machen Rumpfbeugen. Unsere Vorfahren retteten ihre Seele, wir unsere Figur."

Wozu das Ganze? Um mehr Lust am Leben zu haben doch wohl, meint Lütz. Fatal nur: Genau dieses Ziel, das auch er für das Wichtigste im Leben hält, gehe bei all der Anstrengung verloren. Deshalb plädiert er für einen anderen Weg dorthin -in seinem neuen Buch mit dem Titel "Lebenslust". Seine ironischkritischen Anmerkungen "wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult" hat er jetzt auch in einer Veranstaltung des Kathedralforums in Dresden dargelegt.

Lütz, Chefarzt eines psychiatrischen Krankenhauses und bekennender Katholik, lehnt die in seinen Augen kultischen Überhöhungen der neuen "Gesundheitsreligion" rundheraus ab. 70 Prozent aller Krankheiten, so behauptet er in seinem Buch, seien im weitesten Sinne umweltbedingt, 20 Prozent biologisch vorgegeben und lediglich zehn Prozent durch persönliche Lebensführung beeinflussbar. Folglich sei die totale Beanspruchung des ganzen Lebens durch gesundheitsfördernde Maßnahmen aussichtslos.

Dabei hat Lütz weder etwas gegen Krankenhäuser, Ärzte noch Ausgleichssport, auch wenn er all dies mit scharfer Ironie geißelt. "Das Problem der herrschenden Gesundheitsreligion sind nicht die Inhalte, das Problem ist die Übertreibung."

Mit beißendem Spott plädiert er für mehr Realitätssinn. Das heißt bei ihm: Nicht vom Gesundheitswesen etwas zu erwarten, was nur die Religion leisten könne. Jeder möge bei dem bleiben, wofür er zuständig ist: Ärzte für die Heilung, die Kirche für das Heil. Für diese Unterscheidung sorge recht verstandenes Christentum. Als Christ nämlich erhoffe man von Medizin und Kosmetik manches, aber nicht alles. Denn alles, das erhoffe man von Gott. Diese Haltung vermindere nicht nur die Hektik, sie steigere auch die "Lebenslust an dem, was man hat und auf diese Weise genießen kann, ohne sich irgendwie durch ein nicht erreichtes absolutes Ziel die Stimmung verderben zu lassen".

Für gewöhnlich, so legt Lütz dar, reserviere man für den Spaß am Leben nur jenen winzigen Rest an Lebenszeit, der übrig bleibe, wenn man die Zeit für Behinderung, Krankheit, Schmerzen, Leiden, Alter und Sterben abziehe. Genau das aber sei der Fehler. Denn: "Die Grenzsituationen des Menschen liegen unvermeidlich mitten im wirklichen Leben und nur da kann Lebenslust, wenn überhaupt, gesucht und gefunden werden."

Deshalb plädiert er, auch als Alternative zu jenem "Gesundheitswahn", für einen "lustvollen Perspektivwechsel", nämlich für "die Entdeckung der Wirklichkeit". Und das heißt für ihn kurz gesagt: in den vermeintlichen Plagen die Chancen zu erkennen. Denn: "Lebenskunst ist, Behinderung, Krankheit, Schmerzen und Leiden nicht als Defizite zu betrachten, das Alter freudig zu erwarten, im Bewusstsein des sicheren Todes die Lust am Leben intensiv zu spüren und entschieden sein einzigartiges Leben zu leben."

Manfred Lütz: Lebenslust;
Pattloch Verlag, München 2002;
ISBN 3-629-01639-1;
Preis: 14,90 Euro (demnächst auch als Taschenbuch).

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 04.12.2003

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