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Aus der Region

Dominosteine ab Oktober

Eine Diskussion in Erfurt über die Veränderungen in der Advents- und Weihnachtszeit

Erfurt (mh) -Pater Dieter Haite isst Dominosteine nicht erst zu Weihnachten sondern schon ab Oktober. Mit diesem Geständnis sorgte der Benediktiner aus Hannover für allgemeine Erleichterung unter den Zuhörern beim inzwischen fünften Stadtgespräch im Erfurter Karstadt- Kaufhaus, veranstaltete vom Katholischen Forum im Land Thüringen und dem Kaufhaus. Offensichtlich kann so mancher den Verlockungen des weihnachtlichen Gebäcks auch nicht widerstehen. Für Haite aber ist dieses Dominostein-Essen noch etwas anderes. Er will damit sagen, dass er von den moralisierenden Forderungen mancher Kirchenvertreter zur Rettung von Advent und Weihnachten nicht viel hält.

Dass das Weihnachtsfest im Wandel begriffen ist, steht für die Jenaer Brauchtumsforscherin Christel Köhle-Hezinger fest. Aus der privaten Familienfeier werde zunehmend ein öffentliches Fest. "Weihnachten in der Stube wird abgelöst. Gesucht wird auch zu diesem Fest das Partyerlebnis." Ein Beispiel dafür seien die glühweinseligen Feiern auf den Weihnachtsmärkten. Diese Entwicklung sei zunächst genauso wenig negativ wie ein anderer Trend: "Das Weihnachtsgefühl ist dabei, die alte weihnachliche Zeit wieder abzudecken." Ein Beleg dafür sei etwa der weihnachliche Lichterschmuck in und an den Häusern. Ursprünglich begann die auf Weihnachten vorbereitende Zeit am Martinstag (11. November), und das Fest endete mit Maria Lichtmess (heute Darstellung des Herrn am 2. Februar).

Als Ursache für die Veränderungen macht der Erfurter Gesellschaftswissenschaftler Wolf Wagner zwei Trends verantwortlich: Modernisierung und Ökonomisierung. Während in traditionellen Gesellschaften Feste den Kontrast zum Alltag bildeten, würden heute diese Kontraste abgeschafft. "Der Sonntag wird zum Arbeits- und damit zum Werktag. Aber auch der Werktag wird zum Festtag, an dem ich mir -angeregt von der Werbewirtschaft -etwas Besonderes leiste."

Dieses Leben ohne Kontraste beginne schon damit, dass Licht und Wärme im Gegensatz für den Menschen früherer Jahrhunderte heute und hierzulande immer und überall verfügbar sind, sagte Köhle-Hezinger. Die auf dem Kreislauf der Natur beruhenden Rhythmen könne der Mensch so nicht mehr wahrnehmen. "Es bringt aber auch nichts, sie künstlich wieder herzustellen", sagt Köhle-Hezinger. Deshalb seien die Appellen "Bitte fangt erst am ersten Advent an!" wenig nützlich.

Was also tun? Dass es nicht mit dem moralischen Zeigefinger getan ist, hatte Haite schon beim Thema Dominosteine deutlich gemacht. Dennoch hält er das Anliegen für wichtig. "Wenn wir alles immer und überall haben können, ist das in Verlust an Leben." Für die Christen sieht er hier eine Chance. Christentum sei eine mögliche Sichtweise auf das Leben. Gefragt sei deshalb das persönliche Zeugnis, dass dem anderen zeigt: "Mir als Christ hilft der Glaube mit den Licht- und Schattenseiten meines Lebens besser umzugehen." Dass dieses Zeugnis auch angesichts sich wandelnder Weihnachtsbräuche möglich ist, dafür lieferte Haite auch ein Beispiel: Mit seinen Mitbrüdern geht er -nach der Feier der Christmette -am Heiligabend zum Hauptbahnhof in Hannover. Dort spielen die Posaunenchöre der Stadt. Aus der weihnachtlichen Feier für Obdachlose ist inzwischen ein Heiligabend-Treff für viele geworden. Für Haite eine Chance, an diesem Tag als Kirche unter den Menschen zu sein.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 19.12.2003

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