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Bistum Dresden-Meißen

...fast alles, ausser Orgelspielen

Erika Gnoerlich aus Fraureuth engagiert sich bis heute in ihrer Gemeinde

Stütze der Gemeinde: Erika Gnörlich aus Fraureuth.

Fraureuth -Die Geburtstagsblumen von Pfarrer Klose standen am nächsten Tag in der Fraureuther Kirche. Erika Gnörlich sah sie dort lieber als in ihrem Wohnzimmer: "Ich freue mich, wenn die Kirche schön aussieht." Die nun 80-Jährige ist eben Küsterin mit Leib und Seele.

Werner Klose hatte damit gerechnet. Er kennt Frau Gnörlich seit 15 Jahren, seit er in Werdau ist. "Sie leistet ihre Küsterdienste Woche für Woche mit sehr viel Liebe", sagt der Pfarrer. Und die letzten vier Pfarrer von Fraureuth kannten beziehungsweise kennen Erika Gnörlich ebenfalls gut. Die Hälfte ihres Lebens, fast die gesamte Zeit im Dekanat Zwickau, ist sie eine große Stütze der Fraureuther Gemeinde - vielleicht DIE Stütze. Im Jahr 1960 kam Erika Gnörlich mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und ihrem Vater nach "Werdau", wohnte an der Schnittstelle von der Kreisstadt, Leubnitz und Fraureuth. Die Kindergärtnerin, die in Fraureuth die "Frohe Herrgottstunde" machte, reiste aus Zwickau mit dem Bus an. Der Bus fuhr so, dass sie in der Nähe der Gnörlich-Wohnung ausstieg und noch etwas Zeit hatte -und schon bald an diesen Tagen zu einem Kaffee vorbeikam. Erika Gnörlich hat die Frau dann begleitet. "Ich habe Tee gekocht und ein bißchen mitgehört. Die Kindergärtnerin wurde auch mal krank, da habe ich es selbst gemacht", erzählt sie von der ersten Zeit in der neuen Heimat. Später lag die Frohe Herrgottstunde ganz in Frau Gnörlichs Händen.

Das Zweite Vatikanische Konzil bescherte den Gemeinden viele neue Aufgaben. Erika Gnörlich erinnert sich noch genau. Sie hatte den Auftrag, jeweils zwei Gemeindemitglieder für die Lesungen zu suchen. "Es gab aber nur ein Buch. Ich habe die Lesungen deshalb mit der Schreibmaschine abgetippt. Neu waren auch die Zwischengesänge. Ich bin damals zu einer Bekannten nach Leubnitz gefahren. Sie hat mir die Gesänge auf dem Klavier vorgespielt -sozusagen eingehämmert."

Überholt waren nach dem Konzil die damals gebräuchlichen Mess-Gewänder. Mit dem Geld einer Spenderin kaufte Erika Gnörlich Stoff, die Mutter ihrer Schwiegertochter nähte. Bei der Stola griff die gelernte Verkäuferin selbst zur Nadel. Und wie das rote oder grüne Gewand in die Fraureuther Sakristei gekommen ist, weiß vermutlich nur Erika Gnörlich: "Eine Frau aus der Gemeinde fragte, ob sie etwas aus dem Westen mitbringen soll. Ich sagte, dass wir ein Messgewand brauchen. Die Frau traf eine Familie, die Priester in der Diaspora unterstützte. Kurze Zeit später kamen mit der Post vier farbige Gewänder. Sie waren ein Vermögen wert."

Als etwa 1970 der Küster aufhörte, drückte Pfarrer Joachim Hartel einfach Erika Gnörlich den Kirchenschlüssel in die Hand. Sie solle bitte seine Aufgaben übernehmen. Seitdem fährt sie mehrmals in der Woche mit dem Fahrrad nach Fraureuth -auch wenn es wie kürzlich stürmt und schneit -, bereitet den Altar vor, verteilt Lesungen, läutet die Glocken, sammelt die Kollekte ein, macht fast alles außer Orgelspielen.

Es solle nicht so viel über sie geschrieben werden, bittet Erika Gnörlich. "Ich bin froh, dass der liebe Gott mir die Fähigkeiten gegeben hat, und tue es gern." Dass es glücklich macht, wenn man helfen kann, hat sie gleich nach dem Krieg erlebt. Gnörlichs mussten Schlesien verlassen. Der Weg führte zunächst nach Thierfeld bei Aue. "Dort haben wir ein älteres Ehepaar kennen gelernt, das selbst keine Kinder hatte und vielen Mitmenschen selbstlos geholfen hat. Das war faszinierend." Und ansteckend. Erika Gnörlich merkt außerdem, dass ihre Dienste geschätzt werden.

Von einer Frau, die früher unter anderem zur Mädchen-Schola gehörte, bekam sie Weihnachten vor einem Jahr eine Karte. Dort stand sinngemäß: In der Christnacht denke ich besonders gern an meine Kindheit zurück -welch wertvolle Stunden haben Sie uns bereitet! "Das war mein Weihnachten", sagt Erika Gnörlich, "mehr als diese Zeilen brauchte ich nicht."

Dass sie ausgerechnet am Freitag, dem 13., 80 Jahre alt wird, juckte Erika Gnörlich nach eigenen Worten überhaupt nicht. Daran, dass ihr Mann seinen 80. Geburtstag im Krankenhaus erlebte und wenig später starb, musste sie hingegen manchmal denken. Trotzdem hat sie sich auf den Tag gefreut. "Es ist ein Glück, 80 zu werden und dabei noch körperlich und geistig fit zu sein. Ich bin Gott dafür dankbar. Auch wenn ich an die Zukunft denke, weiß ich: Unsere Zeit liegt in Gottes Händen."

Gert Friedrich

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 7 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Samstag, 14.02.2004

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