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"Ich moechte keine MInute missen"

Rund 40 Frauen studierten zu DDR-Zeiten in Erfurt am Edith-Stein-Seminar Theologie

Absolventinnen der verschiedenen Kurse: Äbtissin Ursula Schwalke OSB, Claudia-Maria Maruschke (unterrichtet in Erfurt), Brigitte Schmeja (Halle), Regina Freitag, Provinzoberin Sr. Dominika Kinder, Marlene Rowinski (Berlin).

Alexanderdorf / Erfurt (ep) -"Ich habe nie damit gerechnet, Theologie studieren zu können", sagt Regina Freitag (61). "Als junge Abiturientin wollte ich Ärztin werden, wurde wegen meiner christlichen Haltung aber nicht zum Studium zugelassen. So habe ich eine kirchliche Ausbildung zur Sozialarbeiterin gemacht und später bei der Caritas gearbeitet. Eines Tages kam unser Erfurter Caritasdirektor Franz Nitsche und fragte mich, ob ich studieren wollte ..."

Regina Freitag ist eine von rund 40 Frauen, die während der DDR-Zeit über das Erfurter Edith-Stein-Seminar am Philosophisch- Theologischen Studium Erfurt studiert haben. Wie Regina Freitag wurden auch alle anderen Frauen von ihren Diözesen dazu delegiert und übernahmen im Anschluss leitende kirchliche Aufgaben. Seit 1994 treffen sich die Absolventinnen aller zwei oder drei Jahre und führen damit eine Tradition fort, die es bereits seit Examinierung der ersten Seminaristinnen 1965 bis in die 80er Jahre hinein gab. Im Januar nun trafen sich 15 der Frauen im Benediktinerinnenkloster Alexanderdorf bei ihrer früheren Mitstudentin und heutigen Äbtissin Schwester Ursula Schwalke. Als Referentin hatten sich die Theologinnen die Dresdner Professorin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz zum Thema "Wiederkehr der Religion? Zu neuen Entwicklungen der Kultur" eingeladen.

"Es ist schön, von Zeit zu Zeit von den anderen zu hören. Dabei werden natürlich auch alte Geschichten hervorgekramt", sagt Professorin i. R. Brigitte Schmeja (70), die 1962 zu den ersten Edith-Stein-Seminaristinnen gehörte. "Wir waren damals sieben Frauen und im Ursulinenkloster untergebracht. Später zog das Seminar dann zu den Franziskanerinnen. Die Notwendigkeit, uns am Philosophisch-Theologischen Studium als Frauen einen Stand zu erobern, hat uns zusammengeschweißt. Schließlich studierten wir mit 250 Priesteramtskandidaten zusammen, unter denen so manche waren, für die ihre eigene Berufung mehr zählte als gute Studienleistungen."

Vorbereitung auf leitende Aufgaben in der Kirche

Nach dem Mauerbau 1961 bestand für die Kirche die Notwendigkeit, Frauen in der DDR für Ausbildungs- und Leitungsaufgaben in der Kirche zu qualifizieren, da Möglichkeiten, sie an Einrichtungen in Westberlin oder dem Bundesgebiet zu delegieren, nicht mehr bestanden. Im September 1961 trafen sich deshalb der Neuzeller Spiritual Domkapitular Erich Puzik sowie Prälat Hugo Aufderbeck und Monsignore Martin Fritz, beide Magdeburg, in Erfurt. In der Folge wurden nach und nach die Bischöfe für das Anliegen gewonnen. Denn sie und einige Theologie- Professoren fürchteten, der SED-Staat könnte bei Immatrikulation von Frauen die Erfurter Priesterausbildung schließen.

Am Ende kam es doch zur Einrichtung eines Studienganges. Um diesen vor dem Staat klar gegenüber der Priesterausbildung abzugrenzen und weil es etwa in Rom mit dem Pontificium Institutum "Regina Mundi" bereits ein Vorbild gab, wurde das Edith-Stein-Seminar errichtet. Die Seminaristinnen erhielten am Philosophisch-Theologischen Studium den Gasthörer- Status. Mit der Leitung und geistlichen Betreuung wurde der neu ernannte Erfurter Weihbischof Aufderbeck beauftragt, die Studienbegleitung hatte Professor Otfried Müller inne. Ab 1974 übernahm Dozent Franz Schneider die Begleitung der Theologinnen.

Gern erinnern sich die ersten Absolventinnen an Hugo Aufderbeck, aber auch an Professor Müller. "Wir durften nur drei Jahre studieren, sollten aber möglichst viel von dem Stoff, den die Priesteramtskandidaten in vier Jahren absolvierten, vermittelt bekommen", so Frau Schmeja. Dies geschah auch in Zwischensemestern. "Professor Müller kam dann ins Ursulinenkloster, um uns Vorlesungen zu halten. Dabei war er stets sehr um unsere Gesundheit besorgt. Er fürchtete, die Menge des Stoffs könnte uns überfordern", erinnert sich Schmeja, die später über zwei Jahrzehnte am Fürsorgerseminar Magdeburg und nach der Wende nochmals rund zehn Jahre an der Katholischen Fachhochschule Berlin lehrte.

Das Studium -"eine große Horizonterweiterung"

Neben aller Freude, studieren zu können, habe es aber auch manchen Frust gegeben. Ein Stein des Anstoßes sei etwa die Seminarordnung gewesen: "Wir mussten 22 Uhr im Haus sein. Einmal haben wir im Ursulinenkloster deshalb sogar demonstriert", erinnert sich Schmeja.

Die ersten beiden Kurse hatten nur drei Jahre zum Studieren und wurden im vierten Jahr auf ihre künftige Aufgabe vorbereitet. Die Seminaristinnen, die ab 1966 ihre Ausbildung begannen, durften dann vier Jahre studieren. Nicht zuletzt die Professoren hatten dafür gesorgt. Insgesamt fanden fünf Kurse statt, zudem studierten eine Reihe von Frauen außerhalb dieser Kurse. Die letzten Studentinnen machten in der Wendezeit Examen. Von da an stand die Hochschule offiziell auch Laien offen.

Schwester Dominika Kinder ist Provinzoberin der (Grauen) Schwestern von der heiligen Elisabeth und war ab 1970 in Erfurt. "Wir haben uns kursübergreifend erst durch die Treffen kennen gelernt", sagt sie. "Das war um so interessanter, als wir in den unterschiedlichsten Bereichen der Kirche tätig waren und bis heute sind." -"Erfurt war für mich eine große Horizonterweiterung", erinnert sich Regina Freitag, die heute in der Berufsbildenden Schule St. Elisabeth in Heiligenstadt stellvertretende Schulleiterin ist und Religionspädagogik lehrt. "Wir haben zum Beispiel damals viel von den Entwicklungen um das Konzil mitbekommen", sagt Frau Freitag. Und fügt hinzu: "Ich möchte keine Stunde missen."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 7 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Samstag, 14.02.2004

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