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Keine Geste der Menschlichkeit?

Die Abschiebung der Familie Le Da hat in Thüringen eine heftige Debatte um das Asylrecht ausgelöst

Emotionale Debatte: Schüler und Lehrer demonstrieren gegen die Abschiebung der vietnamesischen Familie Le Da aus Deutschland.

Bleicherode / Erfurt -Dienstags 18.30 Uhr in der evangelischen St.-Marien-Stadtkirche im thüringischen Bleicherode. Hunderte Menschen haben sich unter dem Geläut der Glocken versammelt, um gegen die Abschiebung der vietnamesischen Familie Le Da zu protestieren. Der Familienvater sei in den vergangenen Jahren in Deutschland immer wieder straffällig geworden, heißt es unter anderem in der Begründung der Landesregierung für die Ausweisung.

Der Fall, begleitet von einer nahezu beispiellosen Medienkampagne, hat in der Thüringer Öffentlichkeit eine kontroverse öffentliche Diskussion um das Asylrecht ausgelöst, die Regierung um Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) ist unter Druck geraten.

Die Kinder sprechen kein Vietnamesisch

Was die Sache so brisant macht, ist, dass die drei Kinder der Familie in Deutschland geboren wurden, kein Vietnamesisch sprechen und in eine für sie völlig fremde Welt entlassen wurden. In einem Brief an seine Klassenlehrerin beschreibt der zwölfjährige Tuan seine Situation als verzweifelt und bittet sie, sich für seine Rückkehr nach Deutschland einzusetzen. Tuan gehörte in seiner Gymnasialklasse zu den leistungsstärksten Schülern und würde in Vietnam in die erste Klasse zurückgestuft werden.

Hinzu kommt, dass die vietnamesischen Kinder seit zwölf Jahren bei einer deutschen Pflegefamilie lebten, die die Trennung ebenso schmerzlich empfindet. Der Fall ist inzwischen dermaßen emotional aufgeladen, dass eine sachliche Diskussion kaum möglich ist. "Menschenverachtendes Vorgehen", "unchristlich", "schizophrene Teilung von Mensch und Gesetz" sind nur einige Vokabeln, mit denen die Landesregierung zurzeit belegt wird.

Zwar wurde inzwischen ein einstweiliger Abschiebestopp bis Juni verhängt, dennoch bleibt die Empörung allgemein. Kurz vor der Landtagswahl droht der Fall parteipolitisch ausgeschlachtet zu werden. Aber auch die CDUStadtratsfraktion von Bleicherode unterschrieb eine Petition für ein Bleiberecht der Familie an die Erfurter Staatskanzlei.

Die Kirchen haben sich inzwischen ebenfalls eingeschalten und eine "Härtefallkommission" gefordert wie sie es zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen gibt. In einem Gespräch mit den Bischöfen Joachim Wanke (katholisch) und Christoph Kähler von der evangelischen Landeskirche Thüringen hat Althaus der Bildung einer solchen Kommission grundsätzlich zugestimmt, wenn der bundesgesetzliche Rahmen dafür geschaffen werde.

Bischof Kähler betonte jedoch, ein Härtefallgremium sei "kein zusätzliches Gerichtswesen". Vielmehr gehe es um Einzelfälle, für die man nach einer humanen Lösung suchen müsse.

Dieser Meinung ist auch der Leiter des Katholischen Büros für Thüringen, Winfried Weinrich, der sich aber wie Althaus für eine eindeutige gesetzlichen Regelung aussprach. Ein solches Gesetz müsse unabhängig vom derzeitigen Fall einer Familie betrachtet werden.

Weinrich mahnte zu einer "Versachlichung der Diskussion" und kritisierte die aufgeheizte Berichterstattung einiger Thüringer Medien, die "fast schon peinlich" sei. Der Fall der Familie Le Da hat die Asyldebatte in Deutschland neu entfacht.

Andreas Schuppert

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 04.03.2004

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