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Auf zwei Minuten

Verzehrender Neid

Der Glaube nimmt mir die Angst, zu kurz zu kommen

Pater Damian

"Verzehrender Neid soll mich nicht auf meinem Weg begleiten", heißt es im Buch der Weisheit (6,23). Die christliche Tradition zählt den Neid unter die so genannten sieben Wurzelsünden, aus denen in der Folge andere Sünden erstehen. Mit Gefühlen des Neides haben wir wohl alle Erfahrung gemacht. Was ist Neid? Verschiedene Emotionen kommen hier zusammen, zum Beispiel Trauer, Ärger, Feindseligkeit, Wut, Hass oder Minderwertigkeit.

Wir sind neidisch, wenn wir das Gefühl haben, grundsätzlich vom Leben schlecht behandelt zu werden, im Unterschied zu allen anderen, denen es ungerechterweise besser geht als uns. Diese Stimmungen überfallen uns, wenn wir selbst unsicher sind, unzufrieden mit uns und der Welt. Wenn wir wirklich zu Gruppen von Menschen gehören, die tatsächlich sehr schlecht behandelt werden, dann hat der Neid eine Berechtigung. Es ist dann eine Auflehnung gegen Ungerechtigkeit, weil die sozialen Unterschiede zu groß sind.

Neid entsteht oder trifft einen wie ein "Stich von Missvergnügen", wie eine ,,Säure, die nach innen frisst", wenn man auf die anderen Menschen schielt und sich mit ihnen vergleicht. Um unserer Identität sicherer zu werden, um herauszufinden, wo wir gleich sind wie andere, wo wir aber auch verschieden sind, müssen wir uns allerdings in einem gewissen Rahmen mit anderen vergleichen. Wenn das aber in ein ständiges quälendes Vergleichen ausartet, steht es der Versicherung unserer Identität entgegen. Es entsteht ein Gefühl von Minderwertigkeit. Wir kommen uns zurückgesetzt vor und fühlen uns gekränkt, dass ein anderer Mensch uns überlegen oder vermeintlich überlegen ist oder mehr hat oder größere Anerkennung erfährt. Dabei vergleichen wir uns nicht mit Menschen, die Spitzenleistungen hervorbringen auf dem Gebiet der Kunst, der Musik oder auch des Sports. Sie werden eher von uns bewundert. Die Neidauslöser sind vielmehr Menschen, die uns näher stehen und mit denen wir uns in unserer Lebenssituation etwa vergleichen können.

Für das Wort Neid gebrauchen wir manchmal auch den Ausdruck Missgunst. Dieses Wort "drückt auch aus, dass wir eine Gunst zu vergeben hätten, die Gunst, Wesen oder Leistung eines anderen Menschen zu akzeptieren. Wer eine Gunst zu vergeben hat, ist ein Gönner, reagiert aus einer Position des Reichtums heraus: Sind wir missgünstig, dann offenbar aus einer Position der Armut, aus der Position der Zukurzgekommenen. Die Frage nach dem Umgang mit Neid ist also auch die Frage danach, wie wir gönnende Menschen werden (Verana Kast)."

Verschiedene Ansätze zur Neidbewältigung bietet uns die Psychologie. Wenn Neid und Missgunst aus einer Position einer schwachen Selbsteinschätzung kommen, dann hilft zu ihrer Überwindung auch der Glaube: "Ich bin Gottes Geschöpf aus Liebe, sein Abbild, einmalig, er hat mich mit Namen gerufen." Dieser Glaube nimmt mir die Angst, zu kurz zu kommen.

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 04.03.2004

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