Im Stil der 50erJahre geht es nicht weiter
Interview mit dem Kommissarius des Eichsfeldes
Erfurt / Heiligenstadt -Das Bistum Erfurt beginnt in diesen Wochen mit einer umfangreichen Strukturreform. Betroffen davon ist auch das volkskirchlich geprägte Eichsfeld. Über die Situation im Eichsfeld und die anstehenden Veränderungen sprach der Tag des Herrn mit dem Bischöflichen Kommissarius, Propst Heinz Josef Durstewitz (Heiligenstadt). Lesen Sie hier eine gekürzte Fassung des Interviews, das in der gedruckten Ausgabe Nr. 11 zum 14. März 2004 erscheint (Seite 9):
Das Eichsfeld war ja zu DDR-Zeiten etwas Besonderes. Die Besonderheit hat sich vor allem durch die Abgrenzung zum damaligen politischen System definiert. Ist das Eichsfeld heute noch etwas Besonderes?
Das Eichsfeld ist nicht mehr das geschlossene Gebiet von damals. Ein Hauptgrund dafür ist die Mobilität. Viele Eichsfelder arbeiten heute in anderen Orten und kommen dort mit Menschen zusammen, für die die Themen Kirche oder Gemeinde irrelevant sind. Heute definiert sich das Besondere des Eichsfeldes vielleicht am deutlichsten durch den Aufbauerfolg nach der Wende, äußerlich schnell an den schönen Dörfern und Städtchen zu erkennen. Das führt zu einem gewissen Stolz und damit zu Identität. Allerdings hängt auch dieser Erfolg mit Kirche zusammen, denn eine wichtige Rolle nach der Wende haben beispielsweise die schnellen Verbindungen Richtung Westen gespielt, für die Kirche und Glaube oft der Ausgangspunkt waren.
Ist denn die Kirche 15 Jahre nach der Wende im politisch-gesellschaftlichen Gestaltungsprozess im Eichsfeld noch immer ein gefragter Gesprächspartner?
Die Kirche im Eichsfeld ist wahrscheinlich mehr als anderswo zutiefst in diese Prozesse eingebunden. Wenn Sie die hiesigen Zeitungen lesen, werden Sie sehen: Als Kirche werden und sind wir überall gefragt, zum einen als Träger von ganz konkreten Einrichtungen, zum anderen als Ratgeber in Grundsatzfragen. Ins Gespräch kommt Kirche vor allem dort, wo die Menschen angesichts der vielen Zukunftsfragen nicht genau wissen, wie es weitergehen soll. Natürlich hat auch die Kirche hierfür keine Rezepte. Aber wir können zumindest sagen, wie es nicht weitergehen kann.
Trotzdem scheint die Kirche im Eichsfeld Probleme zu haben, wenn man auf die geplante Strukturreform im Bistum Erfurt blickt. Auch im Eichsfeld sollen Gemeinden zusammengelegt und Dekanate vergrößert werden. Warum sind diese Veränderungen notwendig?
Zunächst: Ich verstehe mich nicht als Mangelverwalter, der eine solche Reform durchführen muss, weil alles schlechter wird, weil es weniger Geld gibt und weniger Personal. Ich denke vielmehr: Die Veränderungen sind dran. 40 Jahre nach dem Konzil ist es an der Zeit, dass die Laien, die getauft und gefirmt sind, weitaus mehr ins Rennen kommen als bisher. Denn getauft und gefirmt wird jemand, weil er die Kirche mitgestalten soll. In den letzten 500 Jahren ist sehr viel Gestaltungsverantwortung in der Kirche von den Priestern wahrgenommen worden. Gerade in der volkskirchlichen Struktur des Eichsfeldes heißt es deshalb auch heute oft, der Pfarrer ist zuständig für meinen Glauben. Das ist falsch. Als Pfarrer können wir Hilfen im Glauben geben, können wir Glaubensvollzüge organisieren und garantieren. Aber es gibt unendlich viele Dinge, für die kein Pfarrer und kein Hauptamtlicher zuständig oder notwendig ist. Deshalb: Egal wie viel Personal und wie viel Geld wir haben, Veränderungen sind notwendig.
Außerdem können wir als Kirche heute nicht mehr im Stil der 50er Jahre weitermachen. Aus dieser Zeit stammt im Wesentlichen unsere derzeitigen Struktur. Die Welt um uns herum hat sich verändert. Unverändert geblieben ist unser Auftrag, als Christen die Welt zu gestalten. Und dem müssen wir gerecht werden. Natürlich spielen dann auch die zurückgehenden finanziellen Mittel eine Rolle: Jeder Kirchensteuerzahler zahlt seit Jahresanfang weniger Kirchensteuer. Als Kirche können wir nicht mit weniger Geld gleich viel leisten. Wenn wir aber über weniger Leistung reden, müssen wir auch fragen, wo können wir Arbeit einsparen. Deshalb werden wir nicht die heutigen Dienste aufrecht erhalten können. Von dieser Entwicklung sind die reichen Bistümer in Deutschland ebenfalls betroffen. Deshalb können sie uns Ärmere nicht mehr wie bisher unterstützen. Im Bistum Erfurt versuchen wir darauf mit einem verantworteten Plan zu reagieren, der die erwarteten Veränderungen in den kommenden zehn Jahren in den Blick nimmt.
Außerdem können wir als Kirche heute nicht mehr im Stil der 50er Jahre weitermachen. Aus dieser Zeit stammt im Wesentlichen unsere derzeitigen Struktur. Die Welt um uns herum hat sich verändert. Unverändert geblieben ist unser Auftrag, als Christen die Welt zu gestalten. Und dem müssen wir gerecht werden. Natürlich spielen dann auch die zurückgehenden finanziellen Mittel eine Rolle: Jeder Kirchensteuerzahler zahlt seit Jahresanfang weniger Kirchensteuer. Als Kirche können wir nicht mit weniger Geld gleich viel leisten. Wenn wir aber über weniger Leistung reden, müssen wir auch fragen, wo können wir Arbeit einsparen. Deshalb werden wir nicht die heutigen Dienste aufrecht erhalten können. Von dieser Entwicklung sind die reichen Bistümer in Deutschland ebenfalls betroffen. Deshalb können sie uns Ärmere nicht mehr wie bisher unterstützen. Im Bistum Erfurt versuchen wir darauf mit einem verantworteten Plan zu reagieren, der die erwarteten Veränderungen in den kommenden zehn Jahren in den Blick nimmt.
In allen ostdeutschen Bistümern wird zurzeit über Strukturen gesprochen. Wenn Sie über das Eichsfeld hinaus blicken, gibt es Veränderungen, die aus Ihrer Sicht in größerem Maßstab nötig sind?
Über die wirklich notwendigen Veränderungen wird nicht laut gesprochen. Die im Osten Deutschlands neu gegründeten Bistümer sind unter Verwaltungsgesichtspunkten zu klein. Jedes Bistum braucht Juristen, muss Güter verwalten und Medienarbeit betreiben, hat eine Mitarbeitervertretung und eine Kontaktstelle zu den Landesregierungen ... Dafür sind Fachleute notwendig. Wir können uns mit unseren kleinen Katholikenzahlen eigentlich keine vollständigen Ordinariate leisten. Eine Lösung sehe ich darin, dass mehrere Bistümer bei diesen Aufgaben zusammenarbeiten und so letztlich eine gemeinsame Verwaltung haben. Die pastorale Einheit der heutigen Bistümer mit ihren Bischöfen aber sollte bestehen bleiben. Das kostet nicht viel Geld, bringt aber eine große menschliche Nähe.
Fragen: Matthias Holluba
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 11 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 09.03.2004
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 09.03.2004