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"Der Atombischof von Bautzen..."

Zum 100. Geburtstag von Bischof Otto Spülbeck

Bischof in bewegter Zeit: Die große Zeit Otto Spülbecks war die Zeit des Konzils. Hier konnte er erleben, wie zahlreiche Anliegen, die er seit seiner Jugend vertrat, von der Gesamtkirche aufgenommen und zur Umsetzung gebracht wurden. Maßgeblich arbeitete an der Liturgiekonstitution mit.

Bis heute steht vielen Menschen im Bistum DresdenˆMeißen die Persönlichkeit und das Wirken Bischof Spülbecks im Bewusstsein. Welches waren die zentralen Anliegen dieses Mannes und wodurch wurde er zu seinem Handeln inspiriert?

Am 8. Januar diesen Jahres wäre Otto Spülbeck 100 Jahre alt geworden. In Aachen als Sohn eines Kaufmannes geboren, kam er schon bald in Kontakt mit der Jugendbewegung, einer zivilisationskritischen Erneuerungsbewegung. Hier sollte den in verfestigten Strukturen erstarrten Lebensformen eine neue Natürlichkeit in allen Bereichen des Lebens entgegengestellt werden, auch im kirchlichen Raum. Die Liturgie besaß dabei einen besonderen Stellenwert. Hier wurde der Gedanke der betenden Kirche verwirklicht. Nicht der Einzelne sondern die Gemeinschaft feierte das eucharistische Opfer. Es ging um die tätige Teilhabe der Gläubigen an der Liturgie. Otto Spülbeck wurde von der Jugendbewegung nachhaltig geprägt, so dass er ohne sie in seinen Fragestellungen und Interessen nicht zu verstehen ist. Auch das wissenschaftliche Interesse Spülbecks wurde dort geweckt. So entschloss er sich 1923 zum Studium der Naturwissenschaften in Bonn. Aber schon dort suchte er auch den Kontakt zu Professoren der Theologie und entschloss sich den Weg in das Priestertum einzuschlagen. Für Otto Spülbeck provozierte die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften die zunächst rein philosophisch gestellte Frage nach dem Woher und dem innersten Sinn des Lebens. Eine Frage, auf die er erst in der Theologie eine befriedigende ˆ ihn dann auch persönlich betreffende ˆ Antwort fand.

Von 1924 bis 1927 studierte Otto Spülbeck in Innsbruck Theologie und Philosophie. Hier begegnete er jenem Freundeskreis aus dem später das Leipziger Oratorium hervorgehen sollte. Die Studienzeit in Innsbruck bezeichnete Spülbeck rückblickend als den Wendepunkt seines Lebens. Hier entschied er sich, geprägt vom rheinischen Katholizismus, für die Seelsorge in der Diaspora. Nach dem Abschluss seines Theologiestudiums in Tübingen trat er 1929 in das Priesterseminar des Bistums Meißen in Schmochtitz ein. Er entschied sich zu diesem Schritt, um später als Priester in das Oratorium eintreten zu können. Dazu sollte es jedoch nicht kommen. Trotz mehrmaliger, eindringlicher Bitte Spülbecks an das Ordinariat in Bautzen, konnte aufgrund des herrschenden Priestermangels keine Freistellung für den Eintritt in das Noviziat des Oratoriums erfolgen. So war Spülbeck zwischen 1930 und 1935 in der Chemnitzer Pfarrei St. Nepomuk und von 1935 bis 1937 in der Leipziger Propsteipfarrei als Kaplan tätig. Bischof Petrus Legge gelang es 1937 Otto Spülbeck für die Übernahme der Pfarrei Leipzig-Reudnitz zu gewinnen. Damit entschied er sich, die Anliegen des Oratoriums außerhalb der Gemeinschaft lebend zur Umsetzung zu bringen. Sowohl als Kaplan und Pfarrer, als auch später in der Funktion des Propstes von Leipzig waren für Otto Spülbeck Diakonie und Liturgie die Schwerpunkte seines seelsorglichen Wirkens. So wurde zum Beispiel in den Jugendmessen in Leipzig- Reudnitz bereits seit 1943 "versus populum", also vom Priester mit Blick zur Gemeinde, zelebriert. Ebenso war es ihm ein Anliegen der Muttersprache in den Gottesdiensten Raum zu geben. Maßnahmen, die erst durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils ihre kirchenamtliche Bestätigung erfahren sollten. Mit der Kraft seiner ganzen Persönlichkeit begegnete er ab 1945 als neuer Propst von Leipzig der herrschenden Not und Armut in der Stadt. Zahlreiche karitative Initiativen sind direkt mit der Person Spülbecks verbunden. Weit über die Grenzen Leipzigs und des Bistums hinaus wurde er bekannt durch seine rege Vortragstätigkeit zu naturwissenschaftlichen Themen. Sein Anliegen war es aufzuzeigen, dass die naturwissenschaftliche Erkenntnis den christlichen Glauben nicht ad absurdum führt. Vielmehr trat er für einen Brückenschlag zwischen Glaube und Naturwissenschaften ein. Aus seinen Vorträgen entstand das Buch "Der Christ und das Weltbild der modernen Naturwissenschaften", das zwischen 1948 und 1967 in sieben Auflagen erschien.

Am 28. Juni 1955 ernannte ihn Papst Pius XII. auf Vorschlag des erkrankten Bischof Heinrich Wienken zum Koadjutorbischof. Drei Jahre darauf, am 20. Juni 1958, wurde er zum residierenden Bischof von Meißen ernannt. Sein Wahlspruch lautete: "Unum in veritate et laetitia ˆ Eins in der Wahrheit und in der Freude".

Auf dem Kölner Katholikentag 1956 hielt Bischof Spülbeck eine Predigt, die in beiden Teilen Deutschlands erhebliches Aufsehen erregen sollte. Mit dem Bild vom Leben im "fremden Haus" beschrieb er die Situation des Christen in der DDR. Darin brachte er die grundsätzliche Verschiedenheit von Kirche und Staat aufgrund weltanschaulicher Differenzen zum Ausdruck. Eine Zusammenarbeit von Kirche und Staat war daher ausgeschlossen. Diese Tatsache entband den Christen aber nicht von der Pflicht, in der Gesellschaft Akzente zu setzen, die zu einem menschenwürdigen Miteinander im alltäglichen Leben beitragen. So verband Spülbeck die Forderung nach unbedingter politischer Abstinenz mit der Aufforderung gesellschaftlicher Präsenz des Christen in der DDR.

Durch sein selbstbewusstes Auftreten erwarb sich Otto Spülbeck auch bei den staatlichen Behörden einen gewissen Respekt. In einer Notiz des Rates des Bezirkes Dresden anlässlich seines dortigen Antrittsbesuches heißt es: "Sein erstes Auftreten unterstrich er durch das Erscheinen im vollen Bischofsornat ohne Bischofsmütze." An gleicher Stelle wird Spülbeck als "führender Naturwissenschaftler in Deutschland" bezeichnet.

Die große Zeit Otto Spülbecks war die Zeit des Konzils. Hier konnte er erleben, wie zahlreiche Anliegen, die er seit seiner Jugend vertrat, von der Gesamtkirche aufgenommen und zur Umsetzung gebracht wurden. Maßgeblich arbeitete an der Liturgiekonstitution mit. Die Kompetenz in naturwissenschaftlichen Fragen zeichnete Spülbeck unter den Bischöfen auf dem Konzil besonders aus. Eine italienische Tageszeitung nennt Spülbeck während des Konzils den "Atombischof von Bautzen, der als einziger Bischof der Welt Fachmann für atomare Probleme ist." Nach dem Konzil setzte er sich mit aller Kraft für die Umsetzung der Beschlüsse des Konzils im Bistum Meißen ein. Ausdruck dessen war die von ihm initiierte Meißner Diözesansynode. Kurz nach Ende der dritten Sitzungsperiode erlitt Bischof Spülbeck am 21. Juni 1970 auf der Heimfahrt von der Frauenwallfahrt in Wechselburg einen Herzinfarkt. An dessen Folgen starb er am gleichen Tag in Mittweida. Für viele Menschen im Bistum Meißen, die sich auf außerordentliche Weise mit "ihrem" Bischof identifizierten, bedeute dies einen schweren Schlag.

Anlässlich des 100. Geburtstages von Otto Spülbeck findet am 4. Januar auf Einladung von Bischof Joachim Reinelt eine Festakademie im Bischof-Benno-Haus in Schmochtitz statt.

Christian März

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 1 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.01.2004

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