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Auf zwei Minuten

Eingebung und Verstand

Ich lasse mich im Vertrauen auf Gott ein, der alles Verstehen übersteigt

Pater Damian

Der Schriftsteller Hans Kruppa schildert, wie der alte Amiro kurz vor seinem Tod seiner Enkelin Sumila und seinen vier besten Freunden die Erfahrungen eines langen Lebens mitteilt. Seine Worte sind ein Abschiedsgeschenk. Sein Freund Morato fragt ihn: "Wem soll ich bei wesentlichen Entscheidungen mehr vertrauen, meiner Eingebung oder meinem Verstand?" Amiros Rat: "Vertraue deiner Eingebung, nicht deinem Verstand, wenn es um wesentliche Entscheidungen geht. Deine Eingebung ist deine innere Führerin, die am besten weiß, was für dich gut ist, woran du festhalten und was du aufgeben solltest. Ihre Stimme hörst du nicht im Alltagslärm, denn sie ist von Natur aus leise. Darum ziehe dich an einen stillen Ort zurück, wenn du ihren Rat suchst. Und zweifle nie an dem, was sie dir sagt, sonst zweifelst du an deiner eigenen Seele." ˆ "Und wann soll ich meinen Verstand gebrauchen?" "Benutze deinen Verstand in den Dingen des alltäglichen Lebens, Morato, aber lasse dich nie von ihm benutzen. Der ist ein guter Diener, der gern ein schlechter Meister sein möchte. Folge seinen Ratschlägen in den Lebenslagen, die er verstehen kann. Aber hör nicht auf ihn, wenn er sich in Bereiche einmischt, die ihm wesensfremd sind. Erwarte von ihm keine verlässlichen Antworten auf die tiefsten Fragen des Lebens."

Der Glaube an Gott ist eine Gnadengabe, die wir empfangen

Auch unser religiöser Glaube als existentieller Vollzug beruht auf Eingebung. Ich lasse mich im Vertrauen auf Gott ein, der alles Verstehen übersteigt. Mein Verstand mag Gründe haben, die gegen diese Übergabe an Gott sprechen: Du hast keine Beweise und Garantien. Ist es überhaupt nützlich? Was hast du davon? Lädst du dir nicht unnötige Lasten auf? ... Der Glaube an Gott beruht noch in einem tieferen Sinn auf Eingebung: Er ist von Gott eingegeben, eine Gnadengabe. Er ist unsere Antwort auf das Wort, das alle Dinge trägt; das Jasagen zum Sinn, den wir nur empfangen, nicht machen können.

Wesentliche Entscheidungen in unserem Leben sind auch die Wahl des Lebenspartners und die Berufswahl. Dass uns da mehr die Eingebung führt als die rationale Überlegung des Verstandes, dürfte auf der Hand liegen. Verließen wir uns dabei nur auf unseren Verstand, würden wir vor lauter Einwendungen und Zweifeln zu keiner Entscheidung kommen. Es geht bei der Unterscheidung zwischen Eingebung und Verstand nicht um Ausschließlichkeit oder Gegensätze: Beide Kräfte müssen zusammenwirken, damit unser Leben im Großen und Kleinen gelingen kann.

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 2 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.01.2004

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