Schonungslos
Mel Gibsons Film "Die Passion Christi" -eine kaum erträgliche Zumutung

Der Henkersknecht bindet den linken Unterarm mit einem Strick an den Balken. Er drückt die Spitze des dicken, sicher einen Viertelmeter langen Nagels mitten auf die Handfläche -und dann rammt er den Nagel mit dem Hammer hinein. Knochen knacken, Blut spritzt. Nun der rechte Arm. Zu kurz. Die Hand liegt nicht, wo sie liegen soll. Also Strick ums Handgelenk geknotet und kräftig gezogen. Krachend bricht die Schulter. Die Hand ruckt an die vorgesehene Stelle. Nagel angesetzt, zugeschlagen.
Wer Mel Gibsons Film "Die Passion Christi" beurteilen will, muss sich vor allem mit den Gewaltszenen auseinandersetzen. Die andere Frage, deretwegen das Werk als umstritten gilt, nämlich ob es antijüdisch sei, lässt sich vergleichsweise leicht (wenn auch nicht unbedingt zufriedenstellend) klären: Der Film ist in dem Maße antijüdisch, wie es die biblischen Berichte der Evangelisten sind. Mel Gibson setzt in dieser Hinsicht im Grunde keine eigenen Akzente.
In Sachen Gewalt hingegen sieht das völlig anders aus. Matthäus, Markus, Lukas und Johannes schreiben lediglich: "Dann kreuzigten sie Jesus" oder -das ist schon die drastischste Formulierung -"sie schlugen ihn ans Kreuz". Sie liefern keine detaillierten Schilderungen dieser so furchtbar brutalen Art einer Hinrichtung. Mel Gibson wählt demgegenüber die schonungslose und bluttriefende Form der Darstellung. Er zeigt, wie ein Nagel durch die Hand gehauen wird. Er zeigt, wie die Widerhaken der Peitsche Haut- und Fleischfetzen aus dem Körper reißen. Er zeigt, wie die Dornenkrone regelrecht in den Schädel hineingetrieben wird.
Kein Zweifel: Die quälend langen und schwer erträglichen Folterszenen in Gibsons Film verherrlichen Gewalt nicht, sondern stellen sie als zutiefst abstoßend dar. Dagegen ist grundsätzlich zunächst nichts zu sagen. Schließlich bezieht beispielsweise ein guter Antikriegsfilm seine heilsame Wirkung gerade auch dadurch, dass er die schreckliche Wirklichkeit des Krieges knallhart vor Augen führt.
Doch was bliebe von "Die Passion Christi" übrig ohne die ausufernde Gewaltdarstellung, ohne die Nahaufnahmen zerschundenen Fleisches und die Zeitlupenbilder eines immer wieder zu Boden stürzenden menschlichen Wracks? Eine relativ langweilige Nacherzählung, eine mit bombastischer Musik unterlegte Bebilderung der eher einfallsarmen Art. Wirklich überzeugende filmische Ideen finden sich nämlich kaum:
Immer wieder eingestreute kurze Rückblenden -Kindheitsszenen, Bergpredigt, Abendmahl -unterbrechen den Fortgang der Peinigung für Momente, bilden einen gewissen Kontrast und vermitteln ein paar kärgliche Hinweise auf die Botschaft dieses Jesus von Nazaret. Eine glattgesichtige Satansgestalt taucht mehrmals bedeutungsschwanger auf und wieder ab. Die Auferstehungsszene am Schluss zeigt ein völlig makelloses Gesicht mit frisch gestutztem Bart; als Jesus aus seiner Grabeshöhle schreitet, wird einen Augenblick lang das gut verheilte Wundmal an der Hand sichtbar.
Das alles ist nicht eben hohe Filmkunst. Zudem bleiben diese eher unoriginellen Sequenzen alles in allem blass. Denn sie kommen in keiner Weise gegen die Wucht der vorgeführten Grausamkeiten an -die allein sorgen dafür, dass einem der Film gewaltig an die Nieren geht.
Diesen Film kann man sich nicht anschauen, man kann ihn nur aushalten. Sofern man ihn aushalten kann, will und mag. Zu empfehlen ist er selbstverständlich nicht, denn eine Zumutung kann man nicht empfehlen. Es sei denn, man wäre sicher, dass sie sich als heilsame Zumutung oder gar als Glaubensstärkung erwiese. Das aber erscheint ausgesprochen zweifelhaft.
Hubertus Büker
Fotohinweis: © 2003 Icon Distribution ../../inc. All Rights Reserved. Im Verleih der Constantin Film. Foto: Philippe Antonello.
Die Passion Christi. USA 2004.
Regie: Mel Gibson. Mit Jim Caviezel, Monica Bellucci, Maia Morgenstern, Sergio Rubini. 127 Minuten.
Ab 18. März in den deutschen Kinos.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 11.03.2004