Weiterhin die Rote Laterne
Katholikenrat diskutierte mit Politikern die Wirtschaftslage in Sachsen-Anhalt
Magdeburg (ep) -Von viel Ratlosigkeit war im Februar ein informelles Gespräch zwischen Vertretern des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt und der Kommission Arbeit und Soziales des Katholikenrates geprägt. Bereits zum vierten Mal kamen damit im Bistum aktive Katholiken mit Landespolitikern zusammen, um gemeinsam Wege aus der wirtschaftlichen Schieflage im Land zu erörtern und zu fragen, was dabei engagierte Christen tun könnten, wie Dagobert Glanz vom Katholikenrat betonte.
SPD- und PDS-Vertreter kamen nicht
Die Antworten jedoch fielen einsilbig aus. Von Politikerseite hatten sich die Landtagsabgeordneten Judith Röder (FDP), Naumburg, und Lars-Jörn Zimmer (CDU), Bitterfeld, im Magdeburger Roncalli-Haus eingefunden, Katrin Budde (SPD) hatte abgesagt und auch Sabine Dirlich (PDS) war nicht gekommen.
Nach Angaben der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der FDP Judith Röder wurden seit Übernahme der Regierungsverantwortung durch die CDUFDP- Koalition im Jahr 2002 rund 14 000 Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt geschaffen. 38 000 Stellen hätten zudem gesichert werden können. Gleichzeitig seien aber durch Streichung von Geldern der Bundesanstalt für Arbeit 20 000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen weggefallen. Aus Sicht der FDP sei es "grundsätzlich richtig, die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen, weil es die gleiche Problemlage betrifft", so Frau Röder. Insofern sei die Absicht der Bundesregierung, ab 2005 ein Arbeitslosengeld II einzuführen, zu begrüßen. "Dass diese Zusammenlegung aber auf Sozialhilfeniveau erfolgt, wird zum Problem für Sachsen-Anhalt und die neuen Länder werden", prophezeite die Politikerin. Denn mit dem Arbeitslosengeld II werde eine strengere Bedürftigkeitsgrenze eingeführt. Wenn etwa ein Ehepartner Arbeit hat, wird der andere komplett aus der Arbeitslosenunterstützung herausfallen. "Folge: Wir befürchten für Sachsen-Anhalt einen Kaufkraftverlust von zwei bis zweieinhalb Milliarden Euro. Das wird wiederum Konsequenzen für den Arbeitsmarkt haben."
Angesichts des ständigen Wegzuges von Menschen aus Sachsen-Anhalt sei es zentrale Aufgabe der Innenpolitik, für eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation zu sorgen. Darüber hinaus sei dafür jedoch das "Zusammenspiel aller Kräfte im Land" notwendig, so Wirtschaftsausschuss- Mitglied Lars- Jörn Zimmer. Arbeit sei genug da, aber "sie kann kaum noch bezahlt werden". Diese Situation werde sich durch die EU-Osterweiterung noch verschärfen. Schon jetzt gebe es bei den Unternehmen den Trend, personalintensive Arbeiten etwa nach Tschechien zu verlagern. Sachsen- Anhalt fehlten zunehmend Gelder, Investitionen kofinanzieren zu können, was sich mit der EU-Osterweiterung noch verschärfen werde.
Warum gehen Firmen nach Sachsen und Thüringen?
Kritik an der Wirtschaftspolitik kam vom Vorsitzenden der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Bistum Magdeburg, Josef Schwenke: "Der rotgrünen Landesregierung haben wir es Übel genommen, in Sachen Wirtschaft das Schlusslicht in der Bundesrepublik zu sein. Mit gut 21 Prozent haben wir weiterhin die Rote Laterne. Woran liegt es, dass sich Firmen nicht bei uns ansiedeln, sondern nach Sachsen oder Thüringen gehen?" Für Lars-Jörn Zimmer fehlt den Menschen im Land nicht zuletzt ein gesundes Selbstbewusstsein. Zudem habe Sachsen-Anhalt in anderen Bundesländern und darüber hinaus kein gutes Image. Aspekte, gegen die es von jedem in Sachsen- Anhalt anzukämpfen gelte.
Als "Kandidat für das Arbeitslosengeld II" meldete sich unter den Gesprächsteilnehmern Helmut Hiller aus Dessau zu Wort: "Ich werde in diesem Jahr 60 Jahre alt. Ich kriege auf meine Bewerbungen nicht einmal mehr eine Antwort, und wenn ja, dann in dem Stil: "Wir haben für ihr Profil keine passende Stelle..." Dabei ist es schon mit 45 schwierig, Arbeit zu finden. Wenn man sich dann überlegt, welche Einkommensunterschiede es in der Bundesrepublik gibt, nämlich von eins zu 100 und mehr! Da fangen für mich die Verantwortlichkeiten von Eliten an." Zimmer erwiderte darauf, er stelle im Blick auf den Umgang von Unternehmen mit älteren Arbeitnehmern inzwischen ein schrittweises Umdenken fest. Seine FDP-Kollegin Röder wies darauf hin, dass jährlich 2300 Stellen für ältere Arbeitnehmer vom Land finanziert würden -mehr sei nicht möglich.
Am Ende des Gesprächs forderte der Vorsitzende der Katholikenrats- Kommission, Vinzenz Hohmann, -selbst bereits in Rente -von Politik und Wirtschaft, sich zusammenzusetzen und "endlich mal die Fakten auf den Tisch zu legen: Es sieht viel schlimmer aus als man glaubt." Weltweit nehme die Arbeit ab. Da könne man nicht weiter so tun, als ob Beschäftigung für alle zu erreichen sei. Hohmann: "Mein Sohn hat drei Kinder. Er ist arbeitslos. Wenn wir seine Familie nicht unterstützen würden, sähe es schlimm aus."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 12.03.2004