Wo Lebensmittel einen Euro kosten
Zweimal in der Woche öffnet die Weißwasseraner Tafel der Caritas für Bedürftige ihre Wa
Weißwasser (mim) -Schon früh morgens um sieben Uhr bilden sich jeden Dienstag und Freitag an der Uhlandstraße 13 in Weißwasser erste Schlangen. Viele haben eine Plastiktüte in der Hand, manche tragen einen Stoffbeutel mit sich. Scham ist in einigen Gesichtern darüber anzusehen, "dass sie sich hier anstellen müssen", oder "dass sie nicht genügend Geld haben, um die eigene Familie zu ernähren."
Mühsame Verhandlungen mit Supermärkten
Einige von ihnen kommen ins Gespäch miteinander. Über das Wetter etwa, denn über seine missliche Situation redet jeder nur ungern. Die unterschiedlichsten Menschen stehen hier: Männer, die mit der Arbeitslosigkeit plötzlich ins soziale Abseits geraten sind, ältere Damen mit russischem Akzent, Asylbewerber, junge Eltern, manchmal sogar mit ihren Kindern. Doch so unterschiedlich sie sind, eines haben sie alle gemeinsam: Sie warten, dass es zwölf Uhr wird, denn dann öffnet die Weißwasseraner Tafel der Caritas für zwei Stunden ihre Tür.
"Die Tafel" ist ein bundeswietes Angebot -mal als eigenständiges Projekt, mal unter dem Dach eines Wohlfahrtsverbandes wie etwa in Weißwasser unter dem der Caritas. "Mitarbeiter der Tafel sammeln bei den umliegenden Supermärkten noch verwertbare Lebensmittel und geben sie gegen eine symbolische Spende von einem Euro an Bedürftige weiter", erklärt Annelies Langner, Caritas-Mitarbeiterin und Ansprechpartnerin der Tafel in Weißwasser. Bedürftige sind alle Bürger, die von Sozialhilfe leben. In Zusammenarbeit mit der Stadt Weißwasser wird ein "Tafelpass" ausgegeben, der zum Empfang von Lebensmitteln des täglichen Bedarfs berechtigt. "Meistens sind das Obst, Gemüse, Käse, Brot, Trinksäfte. Selten auch Fisch oder Fleisch", sagt Frau Langner.
Durch mühsame Verhandlungen mit den umliegenden Supermärkten sorgt die Caritas-Mitarbeiterin stets dafür, dass die Regale der Tafel gefüllt sein können. "Betteln für andere fällt nicht so schwer, als wenn man selber betteln gehen müsste", sagt sie. Die Reaktionen der Märkte sind unterschiedlich: "Einige geben gern überzählige Ware oder Lebensmittel, deren Verfallsdatum bald abläuft. Andere Ketten geben gar nichts und wieder andere versorgen das Tierheim mit Obst und Gemüse", so Langner. Zufrieden stimmt die Caritas-Mitarbeiterin eine solche Einstellung sicherlich nicht. Doch die dankbaren Gesichter der Bedürftigen Treiben sie Tag für Tag zu neuem Engagement an.
Mittlerweile gibt es die Weißwasseraner Tafel schon seit ein einhalb Jahren. Entstanden ist das Angebot aus dem "Tagestreff für Wohnungslose", den die Caritas- Stelle in Weißwasser seit 1995 bestreitet. Dieses Angebot richtet sich an Wohnungs- und Arbeitslose, an Einsame, Suchtkranke oder Menschen in finanziellen Nöten. "Jenen bieten wir Gespräche an, persönliche Hilfen, Duschmöglichkeit die Benutzung einer Waschmaschine und eben auch eine warme Mahlzeit", sagt Annelies Langner. Etwa 25 bis 30 Bedürftige besuchen den Tagestreff täglich. Sie schätzen die freundliche, offene und vorurteilsfreie Atmo-sphäre. "Wir haben schnell gemerkt, wie viele Menschen ein solches Angebot brauchen. Und schon war die Idee geboren, den Tagestreff um die Tafel zu erweitern", sagt Langner.
Dankbarkeit und viele gute Erfahrungen
Heute laufen beide Angebote in Weißwasser parallel. Ein ganzes Team aus Sozialarbeitern, ABMKräften und hilfsbereiten Besuchern des Tagestreffs sorgt seither für den reibungslosen Ablauf. "Die Dankbarkeit der Bedürftigen und die Freude an dieser Arbeit reißt nicht ab", sagt Langner. Die langjährige Caritas- Mitarbeiterin kann sich an unzählige Erlebnisse erinnern, als sie Menschen in ausweglosen Situationen helfen konnten. "Wir hatten sogar schon einmal eine Hochzeit hier in unseren Räumen", erinnert sie sich. Als der Mann zum ersten Mal zum Tagestreff kam, war er "alkoholabhängig und wirklich ganz tief unten." Doch bei der Caritas in Weißwasser fand er jemanden zum Reden. "Er änderte seinen Lebensstil, lernte eine Frau kennen und sein größter Wunsch war, seine Hochzeit hier bei uns zu feieren. Heute hat er uns nicht mehr nötig -im positiven Sinn", sagt Langner.
Gefühle und Emotionen werden beim Treff ohnehin groß geschrieben. "Hier wird zusammen gelacht, geweint und geschimpft. Es sind einfach Gefühle da", sagt Langner. Ihre neueste Idee ist ein "Single-Café" -neben Tafel und Tagestreff ein weiteres Angebot für Sozialschwache. Jeden zweiten Donnerstag im Monat sind alle Alleinstehenden von 15 bis 17 Uhr in die Uhlandstraße 13 eingeladen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 25.03.2004