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Bistum Magdeburg

Film betont einseitig die Qualen Jesu

Erwachsenenbildung lud zu Diskussionsabend zum Kinofilm "Die Passion Christi" ein

Magdeburg (ep) -Der derzeit im Kino gezeigte Film "Die Passion Christi" des Hollywood-Regisseurs und Schauspielers Mel Gibson führt zu wenig zur Person Jesu und zum Geheimnis seines Leidens, Sterbens und Auferstehens hin. Darin waren sich die meisten der Teilnehmer eines Diskussionsabends zu dem Film am 1. April im Magdeburger Roncalli-Haus einig. Begründung: Der Film betont im Gegensatz zur Bibel übermäßig die Brutalität des Passionsgeschehens und die Größe des Leidens Jesu und macht zuwenig mit dem Grundanliegen des Mannes aus Nazareth bekannt. Es gab aber auch Teilnehmer, die der Film nach eigenem Bekunden trotz seiner Brutalität in ihrem Glauben angesprochen hatte. Zu der Veranstaltung hatten Katholische und Evangelische Erwachsenenbildung eingeladen. Es sollte um den historischen Kontext, die religiöse Deutung und die filmische Umsetzung gehen.

Jesus hat physisch nicht mehr gelitten als andere

"Im Neuen Testament (NT) wird Jesu Leid nicht als besonders schrecklich im Gegensatz zum Leid anderer Menschen herausgestellt." Darauf wies Neutestamentler Pfarrer H.-Konrad Harmansa hin. Anders als der Gibson- Film berichte die Bibel ausgesprochen nüchtern über die Kreuzigung als die alltägliche Hinrichtungspraxis der Römer, so der Theologe. Auch sein evangelischer Kollege und Ko-Referent, Oberkirchenrat Christian Frühwald, vertrat diese Ansicht: "Sachlich wird von der Geißelung, den Rohrschlägen und Schlägen ins Gesicht gesprochen. Für die Evangelien ist stattdessen der Spott, der mit Jesus getrieben wird, wichtiger."

Für Frühwald ist der Film vom Johannes-Evangelium her konzipiert, auch dort, wo die Überlieferungen von Markus, Matthäus oder Lukas einbezogen sind. Der Theologe erinnerte daran, dass sich die Zuweisung der Schuld am Tod Jesu -je später das jeweilige Evangelium entstanden ist -"mehr und mehr auf die Juden hin verschiebt", also bei Johannes am stärksten ist. Dies präge leider auch den Film. Dass etwa der Teufel zwischen den jüdischen Würdenträgern herumläuft, sei angesichts des heute wieder wachsenden Antisemitismus "gefährlich".

Hinzu komme, dass eine den Juden zugeschriebene religiös motivierte Schuld historisch zu einseitig sei: Denn zum Paschafest habe es bei den Verantwortlichen in Jerusalem stets die berechtigte Sorge vor Unruhen und einem in der Folge blutigen Eingreifen der römischen Besatzer gegeben. Insofern sei die Überlegung des Hohenpriesters Kajaphas, besser ein Mensch stirbt als dass das ganze Volk zugrunde geht (Joh 11, 50), eine mehr politische als religiöse gewesen. Zudem gehörten bei Matthäus, Markus und Lukas im Gegensatz zu Johannes die Pharisäer als die "Theologen" nicht zu denen, die die Kreuzigung fordern.

Als "das Problem" des Films schlechthin bezeichnete Frühwald die seiner Ansicht im Hintergrund stehende Satisfactionstheologie (Gott fordert Genugtuung durch Opfer -die Red.), die "stark in Spannung zur Bibel" stehe. Seit Abraham einen Widder statt seines Sohnes Isaak opfern soll (Gen 22,12), sei klar, dass Gott keine Opfer fordert. Und das sei auch die Botschaft Jesu: Gott liebt den Menschen, will das Heil eines jeden. Der Film vermittle jedoch, dass die Qual Jesu so übermächtig sein müsse, weil die Schuld der Menschen so groß ist, und vertrete damit eine Theologie, die eine Traditionsgeschichte habe, aber von der Bibel so nicht gedeckt sei. "Ich glaube nicht wie offensichtlich Regisseur Gibson an einen Plan Gottes, der vorherbestimmt hat, dass Jesus so leiden sollte. Menschen waren dafür verantwortlich", so Frühwald. Jesus dürfe "nicht allein von seinem Leiden, sondern müsse mit seinem Leben von Weihnachten bis Ostern gesehen werden, um ihn in seinem Anliegen zu verstehen als jemand, der sich auf einen Weg begibt, den er am Ende nicht will, aber annimmt, und von Gott aus Leid und Tod auferweckt wird". Und da sei der Film zu schwach.

Es gilt, das gesamte Leben Jesu im Blick zu haben

Zuvor hatte Harmansa auf die vielfältigen nachösterlichen Deutungen der Passion im NT verwiesen: als Konsequenz durchhaltender Liebe und Treue Jesu zu seiner Botschaft vom Gottesreich, als Loskauf aus der "Sklaverei", als Sühne für die Sünden der Menschen, als Stellvertretung. Harmansa verwies auch darauf, dass der Film mit historischem Anspruch daherkomme, aber eine Mixtur aus den Evangelien und anderen Überlieferungen sei. So komme etwa Veronika, der Jesus im Film begegnet, in der Bibel nicht vor.

"Für mich war der Film eine Kasteiung", sagt eine Teilnehmerin und erinnerte an ein Wort der Theologin Dorothee Sölle, wonach es Leiden gibt, aus dem man lernen kann, aber auch Leiden, dass nur stumm macht. Eine andere Teilnehmerin hingegen sagte, ihr sei die Abendmahlsszene noch nie so nahe gegangen wie in dem Film. Ein Teilnehmer verglich das Werk mit Leidensdarstellungen in der Gotik. Jemand warf die Frage auf, ob der Film "ein Spiegelbild der heute um sich greifenden Verhärtung und Brutalität" ist...

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 08.04.2004

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