Sachsen in der Zeit der Reformation
"Glaube und Macht" heißt die zweite Sächsische Landesausstellung in Torgau
Torgau - Ein Wasserspeier am Torgauer Schloss Hartenfels erweist sich bei näherem Hinsehen als Mönch. Statt der Füße hat er Klauen wie ein Teufel, und mit denen hockt er auf einer Nonne. Ihrem Spott und ihrer Verachtung gegen die katholischen Kirche durften die Erbauer von Deutschlands ältestem Renaissance- Schloss freien Lauf lassen, denn in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts, als hier die wichtigste Bauphase begann, war die Reformation in Sachsen nicht mehr aufzuhalten. In den Kurfürsten hatte sie Fürsprecher gefunden, die Macht genug besaßen. Friedrich der Weise hatte 1521 Martin Luther auf der Wartburg versteckt. Die Büste des Kurfürsten krönt das Hauptportal des Schlosses, flankiert von den Reliefs Johann Friedrichs des Großmütigen und seiner Frau, gleich darunter sind die Bildnisse Martin Luthers und Philipp Melanchthons zu sehen.
Den Inszenierungswahn vermeiden
Prägnanter sei "Glaube und Macht", das Thema der zweiten Sächsischen Landesausstellung 2004 kaum zu illustrieren, meint Harald Marx, Direktor der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden und zugleich Ausstellungskommissar. Nicht von ungefähr hatte Hans Joachim Meyer (CDU), der damalige sächsische Wissenschafts- und Kunstminister, vor drei Jahren den Satz geprägt: "Das Schloss selbst ist das Ausstellungsstück." Hartenfels, dessen gerade sanierte Fassade mit dem faszinierenden Wendelstein die Pracht vergangener Jahrhunderte wieder aufleben lässt, soll mehr sein als historische Kulisse.
Die Verbindung des Ursprungsortes der Reformation im Freistaat mit originalen Kunstwerken, wie sie hier in der Hauptsache zu sehen sein werden, mache das Besondere der Ausstellung aus, sagt Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Den üblichen "Inszenierungswahn" aus Sperrholztafeln und Dekorationsmaterial mit eingebauten Exponaten hingegen wolle man bewusst vermeiden.
Was sind schon gut gemeinte, aber dann doch nur ermüdende historische Erörterungen des Ausstellungsthemas gegen ein Gemälde wie "Elias und die Baalspriester" von Lucas Cranach dem Jüngeren, meint auch Harald Marx. Es genügt, den Blick der Besucher ein wenig zu leiten -und schon entdecken sie alles selber: Dass es damals in der Auseinandersetzung zwischen den Konfessionen ganz und gar nicht so lieblich zuging, wie der für das Ausstellungsplakat vergrößerte Gemälde-Ausschnitt mit den von sanftem Staunen und gläubiger Zuversicht erfüllten Frauengesichtern verheißt. Im Gegenteil: Im Bildhintergrund ist das Massaker an den unterlegenen Baalspriestern zu sehen. Diejenigen, die sich im rechten Glauben wähnten, leiteten daraus das Recht ab, ihre Feinde auf grausame Weise niederzumetzeln. Müsse man da, so Marx, noch lang erörtern, welch dramatische Zeit extremer politischer und religiöser Spannungen jenes Jahr 1545 war, in dem das Ölbild entstand?
Erster protestantischer Kirchenbau
Architektur gewordenen Geist der Reformation wird der Besucher auch in der Schlosskapelle erleben können. Luther hatte sie 1544 mit einer Predigt eingeweiht, als ersten protestantischen Kirchenbau. "Hier wollen wir die Musik jener Zeit zur Anschauung und zum Klingen bringen", erläutert Marx. Instrumente wird man hier nicht nur betrachten, sondern auch hören können. Rund 80 Konzerte sind geplant.
500 Ausstellungsstücke aus aller Welt
Aus den Vitrinen des Grünen Gewölbes in Dresden wird dessen Direktor Dirk Syndram unter anderem den Mundbecher Martin Luthers und dessen Siegelring, daneben einen Ring des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich des Großmütigen nach Torgau geben. Die Staatlichen Kunstsammlungen wollen bei der Organisation der Landesausstellung alles, nur nicht unter ihren Möglichkeiten bleiben. "Wir werden Werke der Weltkunst von allerhöchstem Rang zeigen, die in ihrer Aussage zu unserem Thema Glaube und Macht' passen", sagt Harald Marx.
Auf dem Gemälde "Hirschjagd zu Ehren Kaiser Karls des V." zum Beispiel kann der Besucher Schloss Hartenfels im Abbild entdecken. Um 1544 zeigt Lucas Cranach der Ältere darauf den lutherischen Kurfürsten und den katholischen Kaiser einträchtig beim diplomatischen Männervergnügen. Erstmals seit dem Bürgerkrieg (1936-39) hat sich der Leiter des Museo del Prado in Madrid, wo das Bild hängt, zu einer Leihgabe überreden lassen. Andere Gemälde, Skulpturen, Rüstungen, Kupferstiche, Bücher oder Goldschmiedearbeiten - 500 Exponate insgesamt - werden aus Berlin, Wien, Straßburg oder den USA herbeigeschafft.
Hans Hesses Bergaltar aus St. Annen in Annaberg, eine Ablasskiste, der Schmalkaldische Bundesvertrag, der Reiterharnisch von Herzog Moritz, 1547 in der Schlacht bei Mühlberg Sieger über Johann Friedrich den Großmütigen und danach neuer sächsischer Kurfürst -sie alle sollen neben berühmten Gemälden ein Bild der Geschichte Sachsens im Europa der Reformationszeit liefern -konkret und lebendig.
Teile der Ausstellung sollen auch im Kanzleihaus zu sehen sein. Der frühere Wirtschaftshof eines Zisterzienserinnen-Klosters war im 16. Jahrhundert Sitz der kurfürstlichen Verwaltung. In diesen Zustand wurde das Renaissance-Gebäude bei der im vergangenen Jahr im Wesentlichen abgeschlossenen Restaurierung zurückgebaut. Jetzt ist es Museum für Stadt- und Kulturgeschichte.
Tomas Gärtner
Die Ausstellung ist vom 24. Mai bis 10. Oktober zu sehen. Informationen im Internet: www.landesausstellung.de
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.04.2004