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Bistum Dresden-Meißen

Beziehungen lassen Ängste schwinden

Ökumenisches Informationszentrum engagiert sich für christlich-islamischen Dialog

Dresden (dw) -"Im Dialog mit den Christen habe ich auch meine eigene Religion viel besser kennen gelernt", sagt die Irakerin Sayad Mahmood, die sich seit dem 11. September 2001 dafür einsetzt, dass Christen und Muslime einander mit ihrer Religion und Kultur besser kennen und verstehen lernen.

Ähnlich drückt es auch Grit Gabler aus, eine evangelische Christin, die sich gemeinsam mit Sayad Mahmood beim Ökumenischen Informationszentrum (ÖIZ) in Dresden für den christlich- islamischen Dialog engagiert. Im Glaubensgespräch mit Muslimen beschäftige sie sich immer wieder mit den Fragen "Wie ist das denn eigentlich bei uns? Was glaube ich denn?", erzählt Grit Gabler. Die verbreitete Sorge, dass Dialog zur Verunsicherung und Verwässerung des eigenen Glaubens führen könnte, hält sie nach mehrjähriger Erfahrung für unbegründet.

Unterstützt von einem Trägerkreis aus haupt- und ehrenamtlichen ÖIZ-Mitarbeitern, vom Islamischen Zentrum und dem Haus der Kathedrale, organisieren die beiden Frauen Seminare, die Wissenslücken über Religion und Kultur auf beiden Seiten schließen sollen. Im Haus der Kirche und im Islamischen Zentrum Dresden finden Veranstaltungen zu Themen wie "Entstehung und Auslegung der Bibel und des Koran", "Gottesbilder" oder "die Verantwortung der Religionen für den Frieden" statt. Christliche und islamische Experten kommen bei diesen Seminaren gleichberechtigt zu Wort. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Dialogarbeit ist die Förderung von Begegnungen zwischen Christen und Muslimen. Seit August ist Sayad Mahmood, die zuvor ehrenamtlich mitgearbeitet hatte, dafür mit zehn Wochenstunden beim ÖIZ angestellt. Sie folgt den Einladungen christlicher Hauskreise, Kinder- und Jugendgruppen oder Schulprojekte in Dresden und Umgebung und erzählt aus ihrem Leben als gläubige Muslimin.

Kopftuch -ein Thema mit vielen Facetten

Besonders häufig wird sie in letzter Zeit nach ihrem Kopftuch gefragt, das sie -wie sie selbst sagt -aus religiösen Gründen trägt. Ihre Tochter dagegen hat sie in ihrer Entscheidung freigelassen. In der Pubertät hat das Mädchen sich gegen das Tragen des Kopftuches entschieden, weil sie diese mütterliche Ausdrucksweise des Glaubens für sich nicht nachvollziehen konnte. "Ich wollte nicht, dass meine Tochter das Tuch nur mir zuliebe trägt und es womöglich an der nächsten Straßenecke wieder abnimmt", sagt Sayad Mahmood. Die Gesetzesvorstöße für ein generelles Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst hält sie für unglücklich, weil sie zu stark verallgemeinerten und damit der sehr vielfältigen Wirklichkeit nicht gerecht würden.

Oftmals ruft in christlichen Hauskreisen allein die Tatsache Erstaunen hervor, dass die Muslimin Elektrotechnik studiert hat und in ihrem Beruf gearbeitet hat, bevor sie vor acht Jahren mit ihrer Familie als Asylbewerberin nach Dresden kam. Eine muslimische Frau, die nicht von ihrem Mann unterdrückt wird, die selbstbewusst ihre Meinung sagt und sich in der Öffentlichkeit frei und ungezwungen bewegt?! Überrascht seien manche Christen auch, wenn sie mit ihr zusammen die Verbundenheit im Glauben an Gott erfahren. "Wir dachten, Ihr Muslime haltet uns und die Juden für Ungläubige", hat Sayad Mahmood schon mehrfach gehört. Dass viele Vorurteile gegenüber Muslimen bestehen, hält die Irakerin für verständlich in einem Landstrich, in dem es kaum welche gibt. Besonders schwer sei es hierzulande, Nachrichten aus arabischen Ländern richtig zu verstehen.

Dialog braucht Ehrlichkeit und Offenheit

Was beruht auf islamischer Lehre, was auf den Traditionen des jeweiligen Landes, und wo geht es um politische Interessen, die unter islamischer Flagge vertreten werden? Persönliche, von Ehrlichkeit und Offenheit geprägte Beziehungen könnten dazu beitragen, manche Ängste, die sich im Zuge des 11. September aufgebaut hätten, wieder zu verringern.

Die Europäische Union fördert das ÖIZ-Engagement nicht zuletzt aus diesem Grund im Rahmen des Projekts "Europa eine Seele geben". Anders als in westdeutschen Städten, in denen Muslime oft schon seit Jahrzehnten als Gastarbeiter leben und sich weitgehend integriert haben, sei es in Dresden für die Christen nicht einfach, muslimische Dialogpartner zu finden, bedauern die ÖIZ-Mitarbeiterinnen. In Sachsen leben Schätzungen zufolge knapp 17 000 Muslime, die meisten Studierende, häufig in englischsprachigen Studiengängen, und Flüchtlinge mit ebenfalls geringen Deutschkenntnissen. Vielfach lernen nur die Männer der Familie die Sprache. Bei den christlich-islamischen Seminaren sind Frauen daher rar.

Ein spezielles Angebot für die Frauen

Viermal im Jahr lädt das ÖIZ zu einem interreligiösen Frauentreffen ein. Ähnlich wie für Musliminnen ist hierbei allerdings auch für Jüdinnen, die überwiegend aus Osteuropa zugewandert sind, die Sprache eine Barriere. Trotzdem halten die Frauen die Treffen für wertvoll, bei denen es zum Beispiel um die Rolle der Frauen in den Religionen geht, um Brauchtum oder um die den drei Religionen gemeinsame Abrahamsüberlieferung.


"Von der Rolle -Frauen- und Männerbilder im Christentum und im Islam" ist das Thema einer Veranstaltung im christlich-islamischen Dialog am 7. Mai um 19.30 Uhr im Dresdner Haus der Kirche. In einem ganztägigen Seminar am 8. Mai geht es im Islamischen Zentrum um "Familie im Wandel -Vorstellungen im Christentum und im Islam". Referentinnen beider Veranstaltungen sind Hamideh Mohaghegi aus Hannover und Prof. Karin Ulrich-Eschemann aus Erlangen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 19 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 06.05.2004

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