"Der wird mal Pfarrer"
Die Freundschaft mit Christus ist für den Küster Manfred Gottwald die Triebfeder seines Lebens
Heidenau -Als Vorschulkind war Manfred Gottwald fast unermüdlich beim "Kirche spielen". Und als Ministrant war er schon mit sieben Jahren früh um sechs beim Glockenläuten zur Stelle. In seinem Heimatdorf im schlesischen Landkreis Striegau wussten damals alle: "Der wird mal Pfarrer!" Und tatsächlich hat der heute 85-Jährige seinen Platz in der Kirche gefunden, doch nicht als Priester. Seit über 50 Jahren ist Manfred Gottwald Familienvater und ebenso lange Küster in der St.-Georgs-Pfarrei in Heidenau.
Dass er seine Erfüllung nicht im Priesterberuf finden würde, war ihm nach seiner Gymnasialzeit klar geworden, die er im Erzbischöflichen Knabenkonvikt in Breslau verbrachte. Diese Jahre hat er in dankbarer Erinnerung, denn er traf dort Priester, die sein Leben im Geist des Bundes Neudeutschland und der liturgischen Bewegung prägten. Eine tiefe, persönliche Beziehung zu Jesus Christus und das Bewusstsein, selbst für das Leben der Kirche mitverantwortlich zu sein, sind in dieser Zeit gewachsen, nicht zuletzt auch durch die Lektüre des damals sehr bekannten Buches "Neue Lebensgestaltung in Christus" von Jesuitenpater Ludwig Esch.
Arbeitsdienst, Lehrerausbildung und Kriegsgefangenschaft seiner Mutter nach Heidenau folgte, traf er dort auf Herbert Jungnitsch, einen der Priester, die für ihn in Breslau so wichtig gewesen waren. Ihm half er, vor Ort die katholische Pfarrjugend und später junge Familiengruppen aufzubauen. Nachdem er 1951 seine Frau Elisabeth geheiratet hatte, begann er den Dienst in der Sakristei, und später wurde er zusätzlich Diakonatshelfer.
Viele Aufbrüche und Erneuerungen, die sich in der Kirche während der letzten Jahrhunderthälfte vollzogen haben, hat er hautnah miterlebt. An die erste Feier der Osternacht erinnert er sich beispielsweise noch gut. Pfarrer Jungnitsch hatte in den 50er Jahren im Ordinariat um Erlaubnis gebeten, die Osterliturgie, nicht wie damals üblich, am Karsamstagmorgen, sondern in der folgenden Nacht feiern zu dürfen. "Bis 24 Uhr müsst ihr aber fertig sein", hatte er zur Antwort bekommen. Ebenso setzte sich sein Pfarrer für die deutschsprachige Feier der Messe ein. Erlaubt wurde ihm, dass die Ministranten der Gemeinde den deutschen Text vorbeten, während er selbst leise die lateinische Fassung murmelte. Manfred Gottwald wechselte sich in diesem Dienst mit einem zweiten Vorbeter ab. "Damals verstand der Herrgott eben nur Latein", erzählt er schmunzelnd.
Sein Stundenplan als Lehrer in Weesenstein richtete sich nach seinem Einsatzplan in der Kirche. Jahrelang hatte er mittwochs und freitags die erste Stunde frei, nach Frühmesse und einem kleinen Imbiss schwang er sich aufs Fahrrad, um pünktlich vor der Klasse zu stehen. Dass er seine Arbeit einmal um Haaresbreite verloren hätte, lag nicht an diesem Einsatz, sondern an seiner hartnäckigen Weigerung, die Jugendweihe zu unterstützen. Er folgte der Argumentation, die vor ihm bereits Bischof Otto Spülbeck bei offiziellen Verhandlungen über die Jugendweihe angewandt hatte: "Wenn ihr mir schwarz auf weiß zeigt, dass die Jugendweihe keine partei-ideologische, sondern eine staatliche Veranstaltung ist, werde ich die Kinder schicken", sagte er mehrfach. Niemand konnte ihm einen solchen Nachweis geben, aber in Ruhe gelassen wurde er trotzdem erst Jahre später. Wie in allen Widrigkeiten seines Lebens fand er auch in dieser Lage Halt in Christus: "Er ist mein Freund, mein Bruder, das habe ich so oft erlebt!", sagt er voller Nachdruck, und denkt dabei besonders an Erfahrungen der Todesnähe im Krieg. Er wünscht sich, dass die persönliche Beziehung zu Gott in der Kirche wieder stärker in den Vordergrund gestellt wird. Ihn führt der erste Weg, wenn er seinen Küsterdienst beginnt, jedesmal in die Kirche, "den großen Chef begrüßen", verrät er mit einem Lächeln auf den Lippen.
Dorothee Wanzek
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 27.05.2004