Die Türen nicht verschließen
Als Verband in die Gesellschaft wirken
Zu Unrecht wird ihnen oft Vereinsmeierei oder Lobbyismus vorgeworfen. Dabei finden sich hier Musterbeispiele für das kirchliche Ehrenamt. Gemeint sind die christlichen Verbände, deren Mitglieder versuchen, als Christen gesellschaftlichen Einfluss zu nehmen. Einer dieser Verbände ist der der "Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung" (KKV). Im TAG DES HERRN-Verbreitungsgebiet gibt es nur drei Ortsverbände: in Erfurt, Leipzig und Görlitz. Letzterer feierte jetzt den zehnten Jahrestag der Wiedergründung. Georg Römisch, KKV-Vorsitzender in Görlitz, über das Anliegen und die Zukunft seines Verbandes.
Frage: Hohe Arbeitslosenzahlen, Sozialabbau, Arbeit auf Kosten der Bevölkerungsentwicklung. Kann sich ein katholischer Verband heute noch in der Wirtschaftswelt zurechtfinden?
Römisch: Wir haben uns ja vor zehn Jahren wieder gegründet, um den christlichen Gedanken in die Gesellschaft zu tragen. Dabei geht es nicht nur um eine Humanisierung der Arbeitswelt und des Wirtschaftslebens, sondern um die Gesellschaft als Ganzes. Christliche Werte zu vermitteln, Bildungsangebote zu machen, die sozialpolitische Themen aufgreifen und behandeln, ist für uns ein wichtiger Beitrag zur Gestaltung des Lebens. Das ist um so notwendiger, da wir beobachten, dass sich die Gesellschaft de facto entchristianisiert, so dass inzwischen viele Menschen mit Inhalten von selbstverständlich gefeierten Festen wie Weihnachten und Ostern nichts mehr anfangen können. Bei unserer Arbeit sind wir auch ökumenisch orientiert. Die Mitgliedschaft im KKV ist nach der neuen Grundsatzordnung auch für evangelische Christen möglich.
Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie dabei mit Nichtchristen ins Gespräch zu kommen?
Römisch: Ich habe schon erwähnt, dass wir Bildungsabende zu sozialpolitischen und gesellschaftlichen Themen anbieten, zu der wir in der Regel alle Interessierten einladen. Dabei kommt es natürlich sehr auf das Thema an, das gerade behandelt wird. Aber hier können wir als Verband auch mit nicht christlichen und ungetauften Menschen ins Gespräch kommen, denn es gibt natürlich Fragen und Probleme, die jeden angehen. Im so genannten Xenos-Projekt zur Aufarbeitung des jüdischen Lebens in der Region haben Christen und Nichtchristen zusammengearbeitet.
Frage: Gibt es für Sie ein spezielles Feld, wo sie gewissermaßen "missionarisch" tätig werden können?
Römisch: Wir haben in diesem Sinne kein Spezialgebiet, wo wir sagen, da arbeiten wir besonders dran. Wichtig ist uns, dass das Christliche in der Gesellschaft vorkommt und nicht untergeht. Da gibt es eine Menge Arbeitsfelder. Angefangen von der persönlichen Überzeugungskraft des Einzelnen bis hin zu gemeinschaftlichen Veranstaltungen, bei denen man erkennen kann: Die sind überzeugt von dem, was sie machen. Wenn das spürbar wird, haben wir unserer Aufgabe erfüllt. Wir dürfen die Türen nicht verschließen und müssen offen für alle Menschen sein. Das gilt nicht nur für uns.
Frage: Welche Zukunftsperspektive sehen Sie für Ihren Verband?
Römisch: Wir werden uns weiterhin um Präsenz bemühen, für die eigenen Mitglieder, für andere Christen und für die Menschen, die Gott vergessen haben oder schon nicht mehr getauft sind. Die praktischen Schwierigkeiten bestehen für uns darin, die wirklich interessanten Themen zu besetzen und auch geeignete Referenten dafür zu finden. Größere Ortsverbände wie im Westen Deutschlands haben es da leichter, weil sie schon über größere personelle Ressourcen verfügen. Ohne uns gegenseitig Mitglieder wegzunehmen, wollen wir in Zukunft auch mit anderen Verbänden zusammenarbeiten.
Interview: Andreas Schuppert
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 17.06.2004