Aufbruch muss weitergehen
Thomas Brose, Initiator der Guardini-Lectures

Thomas Brose hat als Bildungsreferent der Berliner Katholischen Studentengemeinde (KSG) Maria Sedes Sapientiae seit 1990 Vorlesungen in der Tradition von Romano Guardini an der Humboldt-Universität aufgebaut und seit 1997 in Zusammenarbeit mit der Katholischen Akademie in Berlin durchgeführt. Zum 31. September wird angesichts der Sparmaßnahmen des Erzbistums Berlin seine Stelle als Bildungsreferent aufgelöst, die Ostberliner Studentengemeinde wurde inzwischen mit der über Jahrzehnte im Westteil der Stadt angesiedelten Hochschulgemeinde zusammengelegt. Der TAG DES HERRN sprach mit Brose.
Frage:Was hat Sie 1990 bewogen, die jährliche Vorlesungsreihe in der Tradition Romano Guardinis ins Leben zu rufen?
Brose:Ohne die Aufbruchstimmung von 1989 lässt sich das gar nicht richtig verstehen. Mit Freunden aus der Studentengemeinde im Ostteil Berlins habe ich damals überlegt: Was können wir tun, damit sich für Christen spürbar etwas ändert und damit wir uns vernehmbar mit unseren christlichen Überzeugungen in das gesellschaftliche Gespräch einbringen. Schnell kamen wir auf die Idee: Wo vorher Atheismus gelehrt wurde, sollte endlich die Möglichkeit sein, über den Glauben zu sprechen. Der Religionsphilosoph Romano Guardini, der in den 30er Jahren an der Humboldt-Universität einen Lehrstuhl für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung hatte, ist 1939 von den Nazis mundtot gemacht worden. Seitdem gab es aus bekannten Gründen kein solches Angebot mehr. Das konnte unter freiheitlichen Bedingungen so nicht bleiben.
Frage:Und das ist gelungen...
Brose:Als wir nach der friedlichen Revolution von der Studetengemeinde aus in der Uni mit der jährlichen Vorlesungsreihe anfingen, sind anfangs 30, 50 oder 80 Interessierte gekommen - langer Atem war nötig. Seit 1997 kooperieren Studentengemeinde und Katholische Akademie, die Reihe wurde Guardini-Lectures genannt. Das brachte den Vorlesungen einen Schub. Mit der Zeit hat sich eine richtige "Hörergemeinde" gebildet. Was früher eher ein Geheimtipp war, wird inzwischen auch von den Medien wahrgenommen.
Frage:Kommt jetzt mit Ihrer Entlassung als Bildungsreferent das Aus für die "Lectures"?
Brose:Ich bin dankbar, dass ich trotz mancher Widerstände etwas auf die Beine stellen konnte, was eigentlich nicht mehr wegzudenken ist. Wenn jetzt durch das Engagement der Guardini-Stiftung endlich die Guardini-Professur in Berlin wiederbelebt werden kann, sollte eine ostdeutsche Errungenschaft nicht einfach verschwinden, sondern weiterentwickelt werden. Es gilt klug zu überlegen, was aus der von vielen geschätzten Institution "Guardini-Lectures" werden soll. Der Aufbruch muss weitergehen.
Frage:Nach den Lectures 2004 sind Sie als Bildungsreferent verabschiedet worden. Wie geht es für Sie weiter?
Brose:Das weiß ich noch nicht. Am 8. Juli will ich mich in der Humboldt-Universität (19.30 Uhr, Hauptgebäude) als Bildungsreferent mit einem Vortrag verabschieden. Als Motto habe ich eine Zeile der Dichterin Hilde Domin ausgesucht: "Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug."
Fragen: Eckhard Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 17.06.2004