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Bistum Dresden-Meißen

Wenn die Schulden über den Kopf wachsen

Die Zahl der Rat Suchenden wächst: Zehn Jahre Caritas-Schuldnerberatung in Chemnitz

Für Menschen auf der Verliererseite: Einen ernsten Hintergrund hatte das Brettspiel der Schuldnerberaterinnen.

Chemnitz (gf) -Das Glückspiel der vier Frauen hatte es in sich. 6000 Euro von den Eltern für den Zweitwagen -ein paar Felder nach vorn. Eine Mitspielerin hatte scheinbar eine Glückssträhne: Super-Sonderangebote für eine Reise nach Mallorca und einen Staubsauger. Klasse! "Und die Mietschuld?" , fragten jedes Mal die anderen im Chor. Egal. Weiter. Doch es kam eben auch Pech ins Glücksspiel. Fahrpreiserhöhung -alle ein Stück zurück. Am härtesten erwischte es die Dame, die unbedingt gewinnen wollte: Arbeit verloren -von vorn anfangen. Frustriert packte sie das Spielbrett und ließ die Figuren auf den Tisch purzeln.

"Am liebsten alles hinschmeißen. So geht es vielen unserer Klienten", sagte Andrea Grimm. Was sie und die drei anderen Schuldnerberaterinnen der Chemnitzer Caritas gerade auf lockere, lustige Art vorgespielt hatten, war schwarzer Humor. Es zeigte bittere Erfahrungen von vielen Menschen, denen die Schulden über den Kopf gewachsen sind. Über 2400 derartige Schicksale haben die Frauen in den vergangenen zehn Jahren kennen gelernt. Die Dekade war am Mittwoch nach Fronleichnam Anlass, für ein paar Stunden innezuhalten, zu beten und zu feiern.

Immer mehr Schuldner haben sich mit der Zeit auf den Weg zur Caritas gemacht. Im ersten Jahr kamen 40 zur Beratung, im vergangenen Jahr waren es 517. Inzwischen müssen neue Klienten vier bis sechs Wochen auf den ersten Termin warten. Für dringende Fälle hat die Beratungsstelle den Dienstag reserviert, mit offenen Sprechzeiten. Als Gründe für die steigende Zahl von überschuldeten Menschen nannte Maria Przetak, die Leiterin der Beratungsstelle, die zunehmende Arbeitslosigkeit und die wachsenden Lebenshaltungskosten, den bargeldlosen Zahlungsverkehr und den Euro -mit weniger Geld in einer Welt voller Verlockungen.

Menschen, die ihren Schulden nicht mehr gewachsen sind, würden am liebsten im Boden versinken, sagen die Erfahrungen von Maria Przetak. Erst kürzlich habe eine Klientin zugegeben, dass sie schon dreimal angesetzt hatte, zur Beratung zu gehen. "Überschuldet zu sein, sehen sie als Zeichen der Unfähigkeit, mit Geld umzugehen."

Was die Beratungsstelle für diese Menschen tun kann, symbolisierten bei der Andacht ein Stock und ein Rucksack. Der Stock stand für Informationen und Ermutigungen, die Halt geben. Aus dem Rucksack wurde ein Wust von Unterlagen geholt. Die Beraterin fing an, sie zu sortieren und Ballast herauszunehmen. Das ist oft der erste Schritt: Ordnung schaffen, Haushaltsplan aufstellen, unnötige Abonnements und Versicherungen kündigen. Dann wird festgelegt, was unbedingt zu zahlen ist, und in anderen Fällen mit dem Gläubiger über Raten oder Stundung verhandelt.

Diese Gespräche helfen offenbar vielen weiter. Die vier Beraterinnen dankten während der Andacht Gott für ihre Arbeit, die sie nach ihren Worten gern tun und die sinnerfüllt ist. "Wir danken dir, dass wir immer wieder miterleben dürfen, wie Menschen neuen Mut fassen, trotz vieler Schwierigkeiten nicht aufgeben und mit viel Willensstärke ihren Weg gehen." Eine Fürbitte widmeten sie der konsumorientierten Gesellschaft. Die Menschen mögen entdecken, hieß es, "dass ihre wirklichen Sehnsüchte nicht mit Konsum erfüllt werden können."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 26 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 24.06.2004

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