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Auf zwei Minuten

Leben lernen inmitten von Leben

Ein Beitrag von Pater Damian Meyer

Pater Damian

Die ersten Weidenkätzchen im Vorfrühling, ein Buchenwald im Mai, eine Bergwiese voller Wildblumen, die hellen Wolken im Hochsommer, die bunten Blätter im Herbst, der vom Raureif und Schnee verzauberte Wald im Winter: Die verschiedenen Gesichter der Natur im Laufe eines Jahres haben immer wieder Dichter, Maler und Musiker inspiriert. Auch wer seine Erfahrungen und Beobachtungen nicht in Wort, Bild oder Ton ausdrücken kann, aber mit offenen Augen durch die Welt geht, dem bleibt das Staunen vor den Schönheiten und Wundern alles Lebendigen, die Freude im Umgang mit den kleinen Naturdingen, die Erfahrung der Verbundenheit alles Lebendigen im Universum.

Der aufmerksame Umgang mit den Dingen und Vorgängen in der Natur kann darüber hinaus auch ein Lernprozess für uns werden. So können die Jahreszeiten mit ihren unterschiedlichen Gesichtern und der Prozess von Entstehen und Vergehen in der Natur für uns wie ein Spiegel unseres Lebens sein. Schon der alttestamentliche Dichter Kohelet hat vor mehr als zweitausend Jahren beobachtet: ,,Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: Eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz" (Koh 3,1-4).

Wem die Vorgänge und Dinge in der Natur zum Gleichnis werden, den lehren sie vieles. Die Natur ist dann wie ein offenes Buch voller Lektionen und Lebensweisheiten: "Von der Sonne lernen zu wärmen, / von den Wolken lernen, leicht zu schweben, / von dem Wind lernen, Anstöße zu geben, / von den Vögeln lernen, Höhe zu gewinnen, / von den Bäumen lernen, standhaft zu sein. // Von den Blumen das Leuchten lernen, / von den Steinen das Bleiben lernen, / von den Büschen im Frühling Erneuerung lernen, / von den Blättern im Herbst das Fallenlassen lernen, / vom Sturm die Leidenschaft lernen. // Vom Regen lernen, sich zu verströmen, / von der Erde lernen, mütterlich zu sein, / vom Mond lernen, sich zu verändern, / von den Sternen lernen, einer von vielen zu sein, / von den Jahreszeiten lernen, dass das Leben immer von neuem beginnt ..." (Ute Latendorf).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 26 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 24.06.2004

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