Wir versuchen zu teilen
Schüler des Magdeburger Norbertusgymnasiums engagieren sich für Kinder in Burgas
Magdeburg (mh) - Sie sind zwischen zehn und 14 Jahren alt. Sie sind Roma und haben auf der Straße oder in Heimen für ausgesetzte Kinder gelebt. Heute haben sie ein Zuhause: das Haus Roncalli in Burgas, einer Stadt an der bulgarischen Schwarzmeerküste. In diesem Haus, das 1995 mit Unterstützung der Magdeburger Bistumscaritas entstanden ist, leben 15 ehemaligen Straßenkinder. Sieben von ihnen sind zurzeit für zwei Wochen in Magdeburg zu Besuch. Gastgeber sind Schüler des katholischen Norbertusgymnasiums.
Daniel Koop aus der neunten Klasse ist einer von ihnen. Zusammen mit zwei Mitschülern und einer Lehrerin war er im vorigen Herbst in Burgas und hat sich selbst vor Ort ein Bild gemacht. Hunderte Kindern leben auf der Straße. Viele stammen aus zerrütteten Familien, die meisten sind Roma, die auch in Bulgarien als Menschen zweiter Klasse gelten. Das, was das Haus Roncalli und was sie als deutsche Schüler tun können, sei nur ein "Tropfen auf den heißen Stein". Daniel: "Wir können nicht viel bewegen, aber das, was wir tun können, ist schon toll." So wie er haben Mitschülerinnen und Mitschüler von ihm Briefkontakte nach Burgas und sie lassen sich viele kleine Initiativen einfallen, um auf das Haus Roncalli aufmerksam zu machen: vom Stand beim Schulfest bis zum Vortrag im Altenheim. Unterstützung ist dabei auch in finanzieller Hinsicht gefragt. Das Haus Roncalli kann nur mit Hilfe von Spenden aus dem Ausland existieren. Unvorstellbar für Daniel, wenn es aus finanziellen Gründen schließen müsste und die Kinder wieder auf der Straße landen würden. "Das dürfen wir nicht zulassen." Und deshalb gibt es auch ein kleines Informationsblatt über das Haus Roncalli mit dem Hinweis auf das Spendenkonto der Caritas. "Wir versuchen zu teilen" steht als Titel auf diesem Blatt. "Ich hoffe, dass das Haus weiter besteht. Und wir wollen mit unseren Kräften helfen, dass die Kinder, die dort leben, ihr Leben eines Tages selbst in die Hand nehmen können." Warum er sich so engagiert? "Weil es Spass macht", sagt Daniel und setzt einen ganz persönlichen Grund dazu: Er ist selbst ein Adoptivkind und stammt aus Brasilien.
Das Interesse und Engagement für die Straßenkinder von Burgas hat Schwester Charitona bei Daniel und seinen Mitschülern geweckt. Vor vier Jahren hat sie das Haus Roncalli zum Thema im Religionsunterricht gemacht. Die Magdeburger Schüler sollten etwas erfahren über die Straßenkinder von Burgas und über die Roma. Und weil das am besten über persönliche, vielleicht sogar freundschaftliche Beziehungen geschieht, entstanden die Briefkontakte. Noch heute erinnert sich Schwester Charitona an die ersten Briefe aus Burgas: Die Kinder hatten, weil sie damals noch nicht schreiben konnten, einfach ihre Hände auf ein Blatt Papier gemalt. Das hat sich inzwischen geändert: Alle Kinder gehen zur Schule und erreichen gute Leistungen.
Das Leben in anderen Ländern und anderen Kulturen spielt im Alltag des Norbertusgymnasiums eine wichtige Rolle: Enge Kontakte gibt es zu Schulen in Russland, Polen, Frankreich, Namibia - und eben nach Burgas. Hier kommt aber noch eine Komponente hinzu, die Schulleiter Heinrich Wiemeyer wichtig ist: "Unsere Schüler sollen die sozialen Probleme in der Welt erkennen. Und sie sollen ganz praktisch versuchen, etwas dagegen zu tun."
Dass dabei auch die kleinen Dinge, die die Schüler des Norbertusgymnasiums tun, große Wirkung haben, bestätigen die beiden Erzieherinnen, die die Kinder aus Burgas begleiten. Auf die Frage, was ihnen und den Kindern die Partnerschaft bedeute, sagen Halina Tschalikowa und Jana Sokerowa einfach "Alles!". Und dabei meinen sie nicht in erster Linie die finanzielle Unterstützung, sondern die persönlichen Beziehungen, die inzwischen entstanden sind. "Unsere Kinder merken, dass auch die Magdeburger mit dem Herzen dabei sind. Und dafür können wir nur Danke sagen."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 21.06.2001