Schwingungsmessungen
Wenn das Geläut Ursache für Schäden an der Kirche ist
Görlitz (as) -Wenn die Glockenbewegung mit der Turmbewegung einer Kirche übereinstimmt, kann es zu Gebäudeschäden kommen. Das sagt Bernd Beirow aus Peitz. Der Mann muss es wissen, denn der promovierte Ingenieur für Baudynamik misst zusammen mit seinem Partner Holger Kunze die Schwingungen von Glocken und Kirchtürmen. So auch am 3. Juli in der Heilig-Kreuz-Kirche in Görlitz. Die Zwei-Mann-Firma baute im engen Glockenturm komplizierte Apparaturen und modernste Technik auf. Der Grund: "Im Kirchenschiff haben sich lange Risse gebildet", sagt Michael Gürlach, Glockensachverständiger des Bistums Görlitz, "wir wollen mit der Messung definitiv ausschließen, dass die Glocken Ursachen für die Schäden sind."
Und dazu sind zunächst langwierige Vorarbeiten notwendig, ehe es richtig losgehen kann. "Ziel der Schwingungsmessungen ist eine sinnvolle Abstimmung von Turm und Geläut", erläutert Bernd Beirow weiter. Höchste Alarmstufe ist gegeben, wenn die Resonanzen der Schwingungen von Glocken und Turm zeitgleich sind. "Dann zerstören die Glocken gewissermaßen ihr Gemach", so Beirow. In Heilig Kreuz sind es vier Glocken, deren Schwingungen gemessen werden müssen.
Was sich einfach anhört, ist in Wahrheit ein hochkompliziertes Verfahren. Dabei kommen verschiedene Techniken zum Einsatz, verrät Bernd Beirow. Zum Beispiel eine Unwuchtmaschine, die von seinem Kollegen Holger Kunze konstruiert wurde. "Damit können wir das Geläut sehr definiert simulieren und seine Auswirkungen auf die Türme feststellen", sagt Beirow. Möglich wäre das auch mit Berechnungen, aber die wären nicht "annähernd so genau." Die Ingenieure gehen dabei Schritt für Schritt vor und untersuchen mehrere Frequenzbereiche. Fünf bis zehn Stunden kann diese Prozedur dauern, die umfangreiche Auswertung nimmt rund drei Wochen in Anspruch. Knapp 2000 Euro kostet die Messung am Glockenturm.
Bernd Beirow und Holger Kunze sind inzwischen ein eingespieltes Team. An etwa 30 Kirchen in Mitteldeutschland haben sie seit der Firmengründung im Jahr 2000 gearbeitet, darunter auch an der Christuskirche und in St. Maria Friedenskönigin in Cottbus. Auf die beiden kommt in den nächsten Jahren möglicherweise noch eine Menge Arbeit zu, denn nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Glocken aufgehängt, die zum Beispiel vom Gewicht her gar nicht in die Türme passten, weiß Beirow.
Für den Glockenexperten Michael Gürlach wurde die Schwingungsmessung allerdings zu einer kleinen Zitterpartie. Wenn das Geläut wirklich die Ursache für die Risse im Kirchengebäude ist, müssen Veränderungen vorgenommen werden. "Es kann die Läuterichtung der Glocke oder die Klöppelanschlagsanzahl verändert werden", beschreibt er die Möglichkeiten. Die Firma Beirow und Partner konnte aber noch am selben Tag Entwarnung geben: An den Glocken liegt es in Heilig Kreuz nicht. Jetzt müssen die Baufachleute ran.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 08.07.2004