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Aus der Region

Für eine Kirche der Zukunft

Ostdeutsche sammeln Erfahrungen in Asien

Kleine christliche Gemeinschaften: Regelmäßig treffen sich die Nachbarschaftsgruppen in den Familien. Unter Anleitung eines ehrenamtlichen Laien wird gemeinsam gebetet und über geistliche Themen geredet.

Dresden / Erfurt / Görlitz (mh) -Weniger Priester, weniger Katholiken, weniger Geld -wie wird die Zukunft der Kirche in Ostdeutschland aussehen? Eine mögliche Antwort findet sich in Asien. Mit diesem Eindruck sind fünf Vertreter der Bistümer Dresden-Meißen, Erfurt und Görlitz von einer Reise nach Malaysia und Singapore zurückgekehrt. Dort haben sie AsIPA kennen gelernt, eine "neue Art, Kirche zu sein" (Stichwort). Die Reise war Teil eines Programms der Internationalen Missionswerke Missio Aachen und München. Missio hat um das Jahr 2000 auf dem Hintergrund der Suche nach neuen Wegen in der Pastoral in Deutschland begonnen, danach zu fragen, ob und wie der AsIPA-Ansatz auch hierzulande genutzt werden kann.

AsIPA ist -auch wenn die Laien und nicht die Priester die Hauptrolle spielen -keine Basisbewegung, sondern ein von den asiatischen Bischöfen initiiertes Pastoralprogramm, erklärt der Leiter der Pastoralabteilung des Ordinariates Dresden, Dr. Bernhard Dittrich. "Es stößt aber an der Basis auf eine große Offenheit", so dass es fast überall in Asien praktiziert wird. Ausgangspunkt war die Sorge der Bischöfe, wie die Christen über den sonntäglichen Gottesdienstbesuch hinaus zu einem Leben aus dem Glauben angeregt werden können, sagt Weltkirchen- Referent Ulrich Clausen (Dresden). Dabei wurde das in Afrika entwickelte Bibel-Teilen (siehe Stichwort und Interview) als spirituelle Basis mit der Bildung "Kleiner christlicher Gemeinschaften" verbunden. "Diese Gruppen sind unseren Familienkreisen ähnlich", erklärt Dittrich. Es sind Nachbarschaftsgemeinschaften, die sich selbst organisieren und das christliche Leben Fotos Tewes (2), Rappel (1) vor Ort prägen. "Das Ideal ist, dass jeder Christ zu einer solchen Gruppe gehört."

Die kleinen Gruppen treffen sich regelmäßig. Gastgeber ist jeweils ein Gruppenmitglied. Mittelpunkt der Zusammenkünfte ist das Bibel-Teilen: "Dabei geht es nicht um eine intellektuelle Dauerreflektion der biblischen Texte, sondern um eine ganzheitliche Betrachtung mit Herz und Gefühl", sagt der Erfurter Missio-Referent, Diakon Rudolf Höhne. Ein Priester oder ein hauptamtlicher Kirchenmitarbeiter sind für das Bibel-Teilen nicht notwendig: "Hier wird ernst genommen, dass jeder Getaufte und Gefirmte aus dem Geist Gottes lebt", sagt der Görlitzer Dompfarrer Wolfgang Kresak. Ihn hat -wie auch die anderen Reiseteilnehmer -besonders fasziniert, wie aus der liturgischen Feier des Bibel-Teilens konkretes christliches Handeln entsteht: "Ein Beispiel: Eine Frau hatte sich, weil sie ständig von ihrem Mann verprügelt wurde, das Leben genommen. Sie ließ eine kleine Tochter zurück. Eine der christlichen Gemeinschaften in der Nachbarschaft wollte sich um die Heimunterbringung des Mädchens kümmern. Beim Bibel-Teilen lasen sie den Satz ,Wer ein solches Kinder um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.' Die Gruppe änderte daraufhin ihre Entscheidung und kümmerte sich gemeinsam um das Kind."

Aufbruchstimmung einer anziehenden Kirche

Nicht immer ist das Engagement so spektakulär, wichtig ist es dennoch, egal ob es um Kinderkatechese, Ehevorbereitung oder Nachbarschaftshilfe geht. Die "Kleinen christlichen Gemeinschaften" prägen das kirchliche Leben. "Die Bibel wird dabei als Handlungsnorm ernst genommen", sagt Kresak. "Und so wird Kirche anziehend." 1300 Erwachsenen- Taufen in der diesjährigen Osternacht in Singapor und 8000 in den Bistümern Ostmalaysias sind ein Beweis dafür.

Lassen sich diese asiatischen Kirchen-Erfahrungen auf Ostdeutschland übertragen? Äußerlich gibt es Ähnlichkeiten: Singapore ist eine moderne westliche Großstadt und die Lebensbedingungen der Christen in Malaysia erinnern stark an die DDR-Situation, sagt Pfarrer Josef Birkefeld aus Birkungen (Bistum Erfurt). Hier müssen die Christen offensiv die Räume nutzen, die ihnen der Islam als Staatsreligion lässt. Einen wichtigen Anknüpfungspunkt sieht Dittrich in der Herangehensweise an notwendige Veränderungen: "Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit Verwaltungsund Strukturfragen. Und das führt nicht selten zu einer resignativen Grundstimmung, beispielsweise wenn es um die Zusammenlegung von Gemeinden geht." Das AsIPA-Programm ist anders: Hier geht es nicht um Priester und Hauptamtliche, sondern darum, dass der Einzelne sein Christsein ernst nimmt und praktiziert. "Und damit ist eine Aufbruchstimmung verbunden", meint Dittrich. Diese Aufbruchstimmung möchten die Reiseteilnehmer transportieren. Eine konkrete Möglichkeit sieht Dittrich dabei in der Stärkung der Familienkreise. Letztlich aber kann das nicht von oben verordnet werden. Wichtiger ist, dass bei jedem Einzelnen das Bewusstsein wächst: "Wir sind das Volk Gottes."



Stichwort: Bibel-Teilen:

In den 70er Jahren wurde in Südafrika nach einem Weg gesucht, der den Gläubigen das Leben mit dem Wort Gottes ermöglichen konnte. Wichtig war den heutigen Bischöfen Oswald Hirmer und Fritz Lobinger (siehe Interview) damals, dass die Menschen Christus durch sein Wort als die Mitte erfahren. Die gesuchte Methode sollte allen die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme geben. Dabei durften Standesunterschiede, Bildung und Kultur keine Ausgrenzungen darstellen. Mit sieben Schritten (Einladen, Lesen, Verweilen, Schweigen, Austauschen, Handeln, Beten) ergab sich eine Form der gemeinsamen Bibelarbeit, die mehr ist als das reine Lesen der biblischen Texte. Der Wechsel von Lesen und Hören bringt die Ruhe, die die Gegenwart Gottes ermöglicht. Und die Schlichtheit der Schritte lässt alle aktiv teilnehmen. Die feste Vorgabe der Begleitworte verstärkt den liturgischen Charakter des Bibel-Teilens. Fähig die Bibel zu lesen und zu verstehen ist jeder. Und jeder kann sein Verständnis des Willen Gottes mitteilen. Darüber wird nicht diskutiert oder widersprochen. Vielmehr geht es darum, dass der Einzelne für sich selbst oder in der Gemeinschaft konsequent Umsetzungen anpackt, damit Gottes Wille Wirklichkeit wird.



Stichwort: AsIPA:

Hinter dem Kürzel AsIPA steht die englische Bezeichnung für "Asiatisches integrales pastorales Angebot". Mit diesem "neuen Weg, Kirche zu sein" wollen die Bischöfe des asiatischen Kontinents die Seelsorge für die Herausforderungen der Kirche in einem Umfeld von Weltreligionen und sozialen Problemen vorbereiten. Ausgangspunkt waren Erfahrungen der Afrikaner, vor allem in Südafrika: Kleine Nachbarschaftsgruppen und Bibel-Arbeit haben neue Impulse gegeben. Daraufhin hat die asiatische Bischofsvollversammlung 1990 beschlossen, diesen Weg allen Bistümern Asiens zu empfehlen. Ein Schlüssel ist das Integrierende des Angebotes: Spiritualität und Sozialengagement, Einzelperson und Gemeinschaft sowie hierarchische Führung und Mitverantwortung der Laien sollen und müssen in ein Konzept zusammengeführt und eben integriert werden. Von großer Wichtigkeit ist es, eine der Kultur entsprechende Form zu entwickeln. Die Übernahme von Diensten und die Gemeinschaft in Christus sind die Eckpfeiler der Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konziles.

Ulrich Clausen

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 29 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 16.07.2004

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