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Bistum Erfurt

Nach 507 Jahren

Gloriosa verlässt ihre Stube im Erfurter Dom

Hoch über dem Domberg: Hunderte Erfurter und ihre Gäste begleiten die Gloriosa auf ihrem Weg hinunter. Am 8. September soll sie wieder in Erfurt sein.

Erfurt(dc/bip) -Um 11.43 Uhr hat Bischof Joachim Wanke mit bewegter Stimme im Krankenhaus die Handy-Mobilbox von Andreas Gold, Leiter des Dombauamtes, besprochen: "Deo gratias (Dank sei Gott) und Dank an alle, die am Gelingen beteiligt waren. Ich habe mitgezittert und mitgebangt. Dank und alles Gute." Wanke hatte nach seiner Herzoperation das Gloriosa-Projekt im Fernsehen verfolgt.

Am 8. Juli hat die Königin der Glocken zum ersten Mal seit 507 Jahren den Erfurter Dom verlassen. Bunte Regenschirme bedeckten an diesem Tag die immer größer werdende Menschenmenge auf dem Domplatz. Blitze zogen auf, dicke Wolken brachen zusammen, es war als ob Tonnen von Wasser vom Himmel flossen. Nach dem starken Regen konnte der schwer wiegende Glockenkörper der Gloriosa auf einer Außenkonsole in der richtigen Position gebracht werden. Sechs tragfähige Seile wurden an der Glockenkrone in fast vierzig Metern Höhe befestigt. Ein 250-Tonnen-Schwerlastkran stand auf dem Domberg bereit, die "Königin der Glocken" auf 50 Metern zu heben und sanft auf dem Tieflader abzusetzen. Neugierig und gebannt gingen fragende und besorgte Blicke der zahlreichen Zuschauer, -nicht nur Erfurter -immer wieder nach oben. Würde alles gut gehen? Nach fast zwanzig Minuten Hochspannung: Händeklatschen. Doch nur der spektakulärste Teil der Arbeit war schon getan. Die Gloriosa und das hölzerne Originalglockenjoch wurden sorgfältig verpackt und dann ging die Reise los nach Nördlingen im Freistaat Bayern. Dort soll nach einer gründlichen fachmännischen Untersuchung die Glockenrestaurierung -das Schweißen des Haarrisses -vollzogen werden. Am 8. September kommt die Gloriosa aus Nördlingen zurück, einen Tag später, am 9. September, wird sie wieder an ihren angestammten Platz im Erfurter Dom gebracht.

In den vergangenen Jahrhunderten konnte die Gloriosa nur mit dem Einsatz von 16 eingeübten Personen geläutet werden. "Als reine Festtagsglocke läutete die Gloriosa nur zu hohen kirchlichen Feiertagen, so zu Weihnachten, Ostern, zum Patronatsfest am 15. August, zum ökumenischen Martinsfest am 11. November und zur traditionellen Bistumswallfahrt", weiß Franz Funke, der langjähriger Glockenwart zu berichten. An Weihnachten 1984 klang die Gloriosa Besorgnis erregend anders als sonst. Fast ein halbes Jahrtausend nach ihrem Guss zeigte sich damals ein erster Riss. Das beschädigte Glockenmetall ließ sich mit größter Vorsicht an Ort und Stelle schweisen. Ein Jahr später war die Klangharmonie wieder hergestellt. 2003 zeigten Schwingungsmessungen an der Glocke, dass sie nicht mehr ganz intakt war. Die Diagnose: Ein acht Zentimeter langer Haarriss, nur für Fachleute wahrnehmbar. "Wenn jemand krank ist, macht man sich Sorgen. Für die Gloriosa empfinde ich das gleiche, aber ich denke, sie ist in guten Händen", äußerte sich der heutige Glockenwart Ernst Bünge.

Dass das Schicksal der Gloriosa die Erfurter, ihre Gäste und viele andere Menschen bewegt, zeigte sich am großen Interesse: Hunderte fieberten auf dem Domplatz mit, zehntausende vor ihren Fernsehgeräten. "Gloriosa bedeutet für mich ein Stück Heimat", sagt die Erfurterin Regina Keller. Bernd Grube, als Polizist im Einsatz drückt sich genauso aus. "Die Gloriosa ist ein Symbol unserer Stadt", so Joachim Krech. Und: "Die Gloriosa bedeutet mir sehr viel", meint Sandra Ortmann, die mit ihrem Baby gekommen war. Und Teresa Schreier aus Bayern fasst ihre Gedanken so zusammen: "Wenn die Gloriosa läutet, geht sie dir ins Herz. Unvergleichlich ist ihr Klang. Es beeindruckt mich, ihn zu hören, wenn auch so selten. Für mich persönlich hat die Glocke religiöse Bedeutung. Ich bin traurig, dass sie weg ist, aber zuversichtlich, dass sie im September wieder läuten wird." Teresa Schreier drückte zudem ihre Bewunderung aus für die "gekonnte Rettungsaktion" und die Fachmänner , die sie durchgeführt haben. Bis zum Schluss fieberte sie auf dem Domplatz mit.

Nähere Informationen im Internet.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 29 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 16.07.2004

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