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Aus der Region

"Mitten in den Urwald hinein gebaut"

Von der Benediktinerabtei St. Marien zum Schlossbergmuseum Chemnitz / Kloster wieder im Bewusstsein

Klosterlandschaft Mitteldeutschlands

Mit einiger Sicherheit können wir davon ausgehen, dass dies die ersten steinernen Zeugen der Bebauung unser Region sind", betont Dr. Thomas Schuler, der Direktor des Schlossbergmuseums in Chemnitz. Gemeint ist die erste romanische Apsis, die um das Jahr 1150 für die einstige Klosterkirche gebaut wurde. Zugänglich ist der Raum - heute ein Ort der Stille und des Gebetes - über die Evangelisch-Lutherische Schlosskirche, die im Rahmen des Projektes "Offene Kirche" für Besucher geöffnet ist.

Thomas Schuler zeigt sich beeindruckt von der Bauleistung der Benediktiner. "Sie müssen ein großes Gottvertrauen gehabt haben." Dabei war es damals nicht sicher, ob das 1136 von Kaiser Lothar gegründete Kloster an dieser Stelle bleiben konnte. Die vom Pegauer Jakobuskloster kommenden Mönche haben einfach angefangen und gebaut. "Mitten in den Urwald hinein", betont der Museumsleiter. Romanische Spuren wurden auch im Innenraum der eigentlichen Kirche freigelegt. So gleich neben der Kapelle der romanische Fußboden und die Ansätze der Pfeiler. Insgesamt wurden im 12. Jahrhundert die kreuzförmige Chorpartie mit den Seitenkapellen und den vier Apsiden gebaut. Rückschläge prägten den Beginn des 13. Jahrhunderts. 1212 wurde das Kloster im Krieg zwischen Friedrich II. und Böhmenkönig Ottokar zerstört. Der Wiederaufbau - mit der Vollendung der Kirche als spätromanische Pfeilerbasilika - wurde 1226 begonnen. Weitere Eckpunkte des Kirchbaus sind die Verlängerung und Erhöhung des Chores mit Rippenwölbung Ende des 13. Jahrhunderts, der Umbau des Chores und der eingebauten Unterkirche Ende des 15. Jahrhunderts und schließlich der Umbau zur spätgotischen Hallenkirche 1520.

Thomas Schuler ist es ein besonderes Anliegen, die Besucher mit der Geschichte des Ortes vertraut zu machen. Ihnen die Spuren des alten Klosters aufzuzeigen. In seinem Zuständigkeitsbereich ist ein Raum gleich neben der romanischen Kapelle der Klosterzeit gewidmet. Schuler erinnert an die Leistungen des Klosters im Zuge der Besiedelung des Chemnitzer Raumes. "Vorher war hier nichts, es gab lediglich zwei winzige Wolfsjägersiedlungen", berichtet der Museumsdirektor. Im Laufe der Zeit erfuhren Kloster und Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung, der mit den Silberfunden im Erzgebirge einsetzte. Allerdings prägte nicht immer Harmonie den Alltag zwischen den freien Bürgern und den Mönchen vom Berg. Immer wieder kam es zu Streitigkeiten zwischen Stadt und Kloster, so um das beim Kloster liegende Braurecht. Schwierigkeiten brachte auch der Umstand, dass die Stadt Chemnitz von einem dreifachen Ring klösterlicher Dörfer umgeben war. Und schließlich erwarben die Mönche 1375 noch die benachbarte Herrschaft Rabenstein mit der gleichnamigen Burg. Insgesamt 41 Dörfer gehörten zum Kloster, dazu - des Weines wegen - die Stadt Kopitz im Böhmischen. Naturalienabgaben und regelmäßige Geldeinnahmen machten das Kloster St. Marien im 14. und 15. Jahrhundert zu einem der reichsten.

Leider lässt sich heute die Geschichte nur noch in Umrissen darstellen. Nach Einführung der Reformation fand sich niemand, der die Annalen, Chroniken und Wirtschaftsbücher bewahrte. So treten die meisten Äbte, Priester und Brüder ins Dunkel der Geschichte ab. Bis auf einen, der sogar als zweiter Gründer des Klosters gilt: Heinrich von Schleinitz. Der humanistisch gebildete Abt trat 1483 sein Amt an. Schleinitz reformierte die Mönchsgemeinschaft, erwarb Bücher und gestaltete bis 1522 Kirche und Kloster vollständig um. Für sein Abtshaus nahm er sich sogar die Formen der Albrechtsburg in Meißen als Vorbild. Weithin sollte für die Chemnitzer sichtbar sein, wer den Anspruch erhob, die Geschicke der Region zu bestimmen. Die Reformen des Heinrich von Schleinitz wirkten jedoch nicht nachhaltig. Sein Nachfolger - Hilarius von Rehburg - konnte die Gemeinschaft nicht halten. Nach Einführung der Reformation 1540 wurde das Kloster St. Marien vom sächsischen Herzog Heinrich aufgehoben. Und Abt Hilarius machte schließlich seinen Frieden mit der Stadt Chemnitz: Er heiratete die Tochter des Bürgermeisters.

In den folgenden Jahren wurde das Kloster zum Schloss der Wettiner umgebaut, verlor aber schon bald mit der Fertigstellung der Augustusburg die Bedeutung. In Vergessenheit geraten, entschlossen sich die Chemnitzer zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Anlage zu erhalten und richteten ihr Stadtmuseum ein. Der bauliche Verfall konnte jedoch erst in der späten DDR aufgehalten werden. Erstaunlich ist bis heute die damals gefällte Entscheidung, den nur in Teilen erhaltenen Kreuzgang komplett wieder herzustellen.

Heute ist das alte Benediktinerkloster längst wieder im Bewusstsein der Chemnitzer präsent. Die eigenen Geschichte ist in all ihren Bereichen und Facetten erfahrbar, Entdeckungen wie die eines Kloster werden so zu spannenden Erlebnissen. "Das Thema Kloster wieder ins Blickfeld zu rücken, war von Anfang an eines unserer Ziele", berichtet Direktor Thomas Schuler. "Früher war es einfach nur das Schloss." Er ist sich zudem sicher, dass es überall in Sachsen viel "Klösterliches" zu entdecken gibt. Gemeinsam mit dem Förderverein Kloster Wechselburg - dessen Vorsitzender Schuler ist - möchte er mithelfen, den Menschen den Zugang zu diesem Erbe zu erleichtern.

Holger Jakobi

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonnabend, Sonn- und Feiertags von 11 bis 17 Uhr.
Kontakt: Schlossbergmuseum Chemnitz
Schlossberg 12
09113 Chemnitz
Telefon (Führungen): (0371) 488 45 20
Informationen im Internet: www.schlossbergmuseum.de

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 30 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 22.07.2004

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