Sprachpatenschaften
29 Magdeburger helfen ausländischen Mitbürgern Deutsch zu lernen
Magdeburg (ep) -"Sie haben sich auf der Straße laut angeschreit ...-Ist das richtig gesagt: geschreit?" Immer wieder fragt Samer Al-Saiegh Hans-Georg Wüst, ob er das eine oder andere Wort passend eingesetzt und in der richtigen Beugung oder im richtigen Fall verwendet hat, ob er gegebenenfalls die Umlaute Ä, Ö oder Ü verständlich ausgesprochen hat, denn die kennt man in seiner Heimatsprache nicht. Samer Al-Saiegh ist 62 Jahre alt und stammt aus dem Irak. Im Jahr 2000 kam er mit seiner Frau Soudad und zwei seiner vier Kinder, einer Tochter und einem Sohn nach Deutschland. Heute ist er unbefristet als politischer Flüchtling anerkannt, sagt der Jungrentner.
Er sei in DDR-Tagen Presse- Attaché in der Irakischen Botschaft in Berlin gewesen, erzählt Al-Saiegh. Dennoch habe er in dieser Zeit kein Deutsch lernen können -weil er es dabei immer mit Irakern zu tun hatte und weil die DDR-Regierung auch nicht an Kontakten zwischen ihren Bürgern und Ausländern interessiert war. Die Sprache zu lernen bemüht sich der 62-Jährige aber um so mehr, seit er vor vier Jahren in die Bundesrepublik kam. Im Rahmen eines Lehrgangs der Europa-Schulen hat er Deutschunterricht erhalten. Dass er daran interessiert und engagiert teilgenommen hat, ist unschwer an seinen Erfolgen zu merken.
Dennoch, so mancher Satz ist noch nicht fehlerfrei, was angesichts der großen Unterschiede zwischen dem Arabischen und dem Deutschen nicht verwunderlich ist. So ist Samer Al-Saiegh dankbar, dass ein Magdeburger bereit war, für ihn eine Sprachpatenschaft zu übernehmen.
"Wir haben die Hoffnung, noch viel zu lernen"
Hans-Georg Wüst ist ebenfalls von dem Kontakt mit Al-Saiegh angetan. Sieben Mal haben sich die beiden Männer im gleichen Alter (Wüst ist 60) seit Ende April schon getroffen, sind spazieren gegangen, haben ein Café besucht oder waren auch schon bei Familie Al-Saiegh zu Hause. Und sie haben viel miteinander gesprochen. Denn vor allem darauf kommt es schließlich an, sagt Wüst. "Nicht zuletzt über die politische Situation und über die Geschichte tauschen wir uns viel aus", sagt Wüst. "Dafür gibt es ja leider fast täglich aktuellen Anlass."
Als er vor einiger Zeit von dem Aufruf zur Bildung von Sprachpatenschaften gehört habe, habe er sich gedacht: Das ist eine sinnvolle Sache. "Die kannst du, wenn du jetzt in den Vorruhestand gehst, als Aufgabe außerhalb des eigenen Hauses wahrnehmen", sagt Wüst, der im Jahr 2000 als Chemie-Ingenieur gekündigt wurde und seit Juni dieses Jahres Rente bezieht.
Saiegh. "Wir haben die Hoffnung, noch viel zu lernen", sagt der Iraker. "Ich möchte der Gesellschaft etwas von dem geben, was ich kann", so der gelernte Regisseur, der bei Film und Fernsehen arbeitete und zuletzt unter dem Sadam-Regime keine Aufträge mehr erhielt, wie er erzählt. Ende des Jahres wolle er vielleicht ein Krippenspiel inszenieren, sagt Al-Saiegh, der wie sein Pate Wüst katholischer Christ ist.
Zirka drei Prozent Katholiken gebe es noch im Irak, meint er. Die Situation in seiner Heimatland verfolgt der gebildete Mann -nicht zuletzt mittels arabischer Fernsehsender -sehr genau, sind doch alle seine rund 500 (!) Angehörigen im Irak geblieben. Nur seine beiden anderen Kinder leben in Kanada.
Insgesamt 29 solcher Patenschaften sind entstanden, seit die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) und das Interkulturelle Beratungs- und Begegnungszentrum (IKZ) der Caritas in Magdeburg Einheimische aufrief, einen solchen Kontakt einzugehen. Zum Erstaunen der Initiatoren meldeten sich immerhin fast 40 Magdeburger als mögliche Sprachpaten.
20 ausländische Mitbürger aus unterschiedlichen Herkunftsländern, darunter viele Russlanddeutsche und Vietnamesen, die schlechter Deutsch können als Al-Saeigh, mühen sich seit Beginn des Jahres in einem Intensivkurs um die deutsche Sprache. Veranstaltet wird dieser Kurs von der KEB und dem IKZ der Caritas in Magdeburg- Buckau. Trotz Lehrgang bleiben erfahrungsgemäss bei den ausländischen Teilnehmern viele Sprachprobleme. Da bieten Sprachpatenschaften eine echte Ergänzung.
Voraussetzung für erfolgreiche Intergration
Um die zukünftigen Sprachpaten auf ihre Aufgabe vorzubereiten, lud das IKZ der Caritas schon zwei Mal alle Interessierten zu einer Informationsveranstaltung ein. Im Einzelgespräch mit Deutschen könne der Ausländer das Gelernte erproben und im Alltag anwenden, hieß es da. Eine gemeinsame Sprache sei schließlich unerlässliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration und ermögliche es den Fremden, am täglichen Leben teilzunehmen, sich zu informieren, verständlich zu machen und verstanden zu werden. Im Herbst werden die entstandenen Patenschafts- Paare bei einer Veranstaltung untereinander ihre Erfahrungen austauschen. Und bis dahin werden sich Samer Al-Saiegh und Hans-Georg Wünst wohl noch gelegentlich treffen.
Informationen: Interkulturelles Beratungs- und Begegnungszentrum der Caritas, Karl-Schmitt-Str. 5c
Magdeburg, Tel. (03 91) 40 80 511.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 05.08.2004