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Faszinierend

Merseburger Ausstellung "1000 Jahre Domkapitel"

Merseburg (mh) -"Die Ersten werden die Letzten und die Letzten die Ersten sein." -Eine scherzhafte Auslegung dieses Bibelwortes lieferte der Magdeburger evangelische Bischof Axel Noack zur Eröffnung der Ausstellung zum 1000-jährigen Bestehen des Merseburger Domkapitels: "Während vor 1000 Jahren die Berliner noch auf den Bäumen hockten, wurde hier in Merseburg Weltgeschichte geschrieben. Heute wird die Geschichte in Berlin gemacht, und Merseburg ist zu einem unbedeutenden Provinzstädtchen geworden."

Etwas von dem alten Glanz ist jetzt aber zurückgekehrt: Die Ausstellung "Zwischen Kathedrale und Welt", die bis November in Schloss und Dom zu sehen ist, entführt in eine vergessene Welt. Unter den rund 250 Exponate befinden sich einzigeartige Zeugnisse der Geschichte. So sind die althochdeutschen "Merseburger Zaubersprüche" aus dem zehnten Jahrhundert zu sehen -und zu hören, gelesen von Schauspielern. Diese Abschriften germanischer Beschwörungsformeln gehören zu den ältesten deutschen Schriftstücken überhaupt und sind erstmals seit mehr als 70 Jahren wieder öffentlich ausgestellt. Gezeigt wird außerdem die dreibändige reichverzierte Merseburger Bibel aus dem zwölften Jahrhundert sowie der so genannte "Mantel Kaiser Ottos des Großen" aus dem zehnten bis zwölften Jahrhundert. Außerdem gibt es Originalurkunden etwa von Kaiser Heinrich II. (1002- 1024), der das Bistum Merseburg 1004 gegründet hat. Gezeigt werden liturgische Gewänder und Altarbilder sowie die mumifizierte Hand des Schwabenherzogs Rudolf von Rheinfelden, der als Gegenkönig zu Heinrich IV. vom Merseburger Bischof unterstützt wurde und im Dom begraben ist.

Besonders der mittelalterliche Teil der Ausstellung ist -wegen der Bedeutung der Exponate -sehenswert. Aber auch die Darstellung der späteren Jahrhunderte vermittelt interessante Geschichtseinblicke: So existiert beispielsweise das zur Bistumsgründung 1004 errichtete Domkapitel bis heute, auch wenn es in den Jahrhunderten eine wechselvolle Geschichte durchlebt hat: Anfangs war es eine Gemeinschaft von Geistlichen, die den Bischof zu wählen hatte sowie das geistliche Leben an der Bischofskirche pflegte. Wegen der mit der Mitgliedschaft verbundenen Privilegien und finanziellen Vorteile, wurden oft die zweitgeborenen Söhne aus Adelshäusern mit einem Kapitelsplatz "versorgt". Nach der Reformation wurde das Kapitel mit evangelischen Geistlichen besetzt und verlor weitgehend seine kirchliche Bedeutung. In preußischer Zeit erhielten verdiente Staatsbeamte einen Kapitelsplatz. 1930 wurde das Merseburger mit dem Naumburger Kapitel und dem Zeitzer Kollegialstift zusammengelegt. Seitdem gehören zu dem Gremium sieben ehrenamtliche Domherren aus verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens. Einzige Bedingung ist die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche. Ihre Aufgabe ist die Förderung kirchlicher, sozialer und kultureller Aufgaben. Ein Beispiel dafür ist das Zustandekommen der Ausstellung.

Zur Ausstellung gehört ein umfangreiches museumspädagogisches Programm: Neben dem Nachbau einer mittelalterlichen Schreibstube, in der die Besucher Schreibversuche unternehmen können, gibt es eine Kinderwerkstatt mit vielen Angeboten -vom Nachspielen der Krönung Heinrichs II. in Merseburg über eine Einweihung in die Geheimnisse der Merseburger Zaubersprüche bis hin zur Herstellung des eigenen Wappens.

Die Ausstellung war bis 14. November 2014 im Dom und im Schloss Merseburg zu sehen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 34 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 20.08.2004

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