Alzheimer-Projekt gewürdigt
Bundesfamilienministerin im Bischof-Benno-Haus
Schmochtitz (dw) -"Erholen können wir uns nur, wenn die Patienten in unserer Nähe sind und wenn wir sehen, dass es ihnen gut geht", hatten Klaus Kinner und andere Angehörige von Alzheimer-Kranken gesagt, bevor sie 2001 an der ersten Bildungsfreizeit im Bischof-Benno- Haus in Schmochtitz teilnahmen. Tag und Nacht hatte Klaus Kinner aus Bautzen über Monate hinweg seine erkrankte Ehefrau gepflegt. Ihm und anderen betroffenen Angehörigen wollten die Initiatoren des Freizeitangebots einige Tage lang Gelegenheit zum Ausruhen geben und ihnen gleichzeitig Kenntnisse vermitteln, die ihnen den Alltag mit den Patienten erleichtern.
Wenn man die Anmeldezahlen und die Reaktionen der Teilnehmer betrachtet, scheint das bundesweit erste Angebot dieser Art ein voller Erfolg zu sein. Zweibis dreimal jährlich finden die Schmochtitzer Bildungsfreizeiten für maximal zehn Alzheimerpatienten und ihre pflegenden Angehörigen statt, mit Teilnehmern aus ganz Deutschland. Dem Wunsch der Angehörigen entsprechend sind die Patienten mit dabei. Sie nehmen an manchen gemeinsamen Aktivitäten wie Tanz, Kegeln, Musizieren und Ausflügen teil und werden darüber hinaus gezielt gefördert. Möglich ist das, weil sich neben hauptamtlichen Krankenpflegern und Therapeuten auch eine große Zahl von ehrenamtlichen Helfern einbringt. Die Helfer, die in Wochenendseminaren im Bischof- Benno-Haus speziell geschult werden, unterstützen die Patienten beispielsweise auch bei den Mahlzeiten, so dass manche der pflegenden Angehörigen sich seit langer Zeit zum ersten Mal einmal entspannt ihrem Essen widmen können.
Zu dem Helferteam gehören Mitglieder der Bautzener Angehörigen- Selbsthilfegruppe, ältere Frauen aus der Umgebung des Bischof-Benno-Hauses, Häftlinge aus der Justizvollzugsanstalt Bautzen mit ihrem Freizeitbetreuer, und eine Maria-Ward- Schwester, die besinnliche Einstimmungen in den Tag anbietet. Sie alle tragen dazu bei, dass es auch den Alzheimer-Kranken gut geht. In einer freundlichen Atmosphäre, in der sie sich angenommen fühlen, gelingt es ihnen nach Einschätzung von Manuela Strack, der Leiterin der Bautzener Selbsthilfegruppe, recht gut, sich auf die ungewohnte Situation einzustellen. Aggressive Ausbrüche treten hier beispielsweise seltener auf als in einer abweisend wirkenden Umgebung. Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, die sich bei einem Schmochtitz-Besuch am 26. August über das Projekt informierte, würdigte die Arbeit des Hauses mit Alzheimer- und Demenz-Kranken als "wegweisend" . Sie bezeichnete die Bildungsfreizeiten als eine Art "Mutter-Kind-Kur für die ältere Generation", weil sich die Teilnehmer hier in enger Nähe zum betreuten Angehörigen erholen können und zusätzlich mit Informationen versorgt werden, die ihnen helfen, zu Hause besser klarzukommen. In weiten Teilen der Gesellschaft würde dagegen hartnäckig verdrängt, dass es immer mehr alte und demente Menschen gibt, kritisierte die Ministerin. Abzulesen sei das auch an der mangelnden Bereitschaft in weiten Teilen der erwerbstätigen Bevölkerung, für mehr Qualität in der Pflege auch nur zwei Euro mehr auszugeben. Dass das Alzheimer-Projekt des Bischof-Benno-Hauses bislang kaum Nachahmer gefunden hat, liegt nach Ansicht von Dr. Peter- Paul Straube, dem Leiter der Bildungsstätte, an unzulänglichen Fördermöglichkeiten. Zu jeder Bildungsfreizeit müsse das Haus mehrere tausend Euro zuschießen. Von einer neuen Förderrichtlinie erhofft er sich jedoch eine Verbesserung. Das sächsische Sozialministerium hat dem Projekt bereits bescheinigt, förderwürdig zu sein.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 01.09.2004