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Kirchen auch bei Hartz-IV-Protesten gefragt

Bedeutung der Friedlichen Revolution für das heutige Deutschland

Leipzig (mh) -Dass die Revolution 1989 in der DDR friedlich blieb, hat für Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) "ganz viel mit den Kirchen zu tun". "Diesen Dienst der Kirchen für die Friedfertigkeit brauchen wir auch heute", sagte Thierse am Montag in Leipzig bei einer Veranstaltung, die an die Ereignisse von 1989 erinnerte. Dieser Bezug zur Bedeutung der friedlichen Revolution für das heutige Deutschland -so das Thema der Veranstaltung -, lag angesichts der aktuellen Montagsdemos auf der Hand. Die jetzigen Demonstrationen wertete Thierse als gelebte Demokratie, "für die wir vor 15 Jahren auf die Straße gegangen sind". Besorgt sehe er aber das Anwachsen von Hass und Wut. Thierse warnte vor einer unrealistischen Verschärftung der Forderungen. Die Folge wären nur neue Enttäuschungen.

Der Bundestagspräsident regte für die Hartz-IV-Umsetzung die Bildung von "Runden Tischen" an. Hier sollten Kommunalpolitiker, Gewerkschaften, Verbände und Demonstranten gemeinsam vor Ort entscheiden, wie die jährlich von der Bundesregierung für Ostdeutschland zur Verfügung gestellen zehn Milliarden Euro für die Arbeitmarktförderung verwendet werden. Außerdem forderte Thierse die Ostdeutschen auf, sich stärker in den politischen Parteien zu engagieren. Nur so könnten die ostdeutschen Probleme in gesamtdeutschem Zusammenhang gelöst werden.

Der evangelische Pfarrer Christian Führer von der Leipziger Nicolaikirche verteidigte das Engagement der Kirchen im Zusammenhang mit den jetzigen Protesten. "Wir brauchen die Kirchen als Versöhnungsorte, damit es nicht auf der Straße explodiert", sagte Führer. Für die Nicolaikirche gelte: "Wer immer dieses Raumes bedarf, wird ihn offen finden."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Nooke glaubt dagegen nicht, dass die Kirchen als "eine Art Ersatzparlament" gebraucht werden. Die Kirchen seien heute dort am stärksten, "wo sie sich wieder auf ihre religiöse Seite besinnen". Zugleich krtitisierte Nooke die Verbindung der aktuellen Proteste mit 1989 durch den Begriff "Montagsdemo": "Den Unterscheid zwischen Demokratie und Diktatur möchte ich nicht unter die Räder kommen lassen."

Nookes Abgeordneten-Kollege Werner Schulz (Bündnis 90 / Die Grünen) sieht dagegen eine legitime Verbindung zwischen 1989 und heute: Der demokratische Aufbruch von damals sei noch nicht erledigt, denn "es ging nicht nur um Freiheit, sondern auch um soziale Gerechtigkeit." Stattdessen vergrößere sich heute die Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche. "Die Frage des Herbstes 89, in welcher Gesellschaft wollen wir leben, ist noch nicht beantwortet."

Bis Ende des Jahres finden in der ehemaligen Stasi-Zentrale von Leipzig, der Runden Ecke, mehrere Veranstaltungen zur Erinnerung an 1989 statt. Infos im Internet:

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 37 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 07.09.2004

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