In welches "Land" will Gott uns führen?
Rückblick auf das Bonifatiusjahr im Bistum Erfurt / Bistumswallfahrt setzt noch einen Akzent
Erfurt -Die Bistumswallfahrt an diesem Sonntag ist der letzte Höhepunkt des Gedenkjahres, mit dem das Bistum Erfurt an den 1250. Todestag des heiligen Bonifatius erinnert. Der TAG DES HERRN sprach aus diesem Anlass mit dem Leiter des Seelsorgeamtes, Domkapitular Gerhard Stöber, und fragte nach einer Bilanz.
Frage: Herr Domkapitular, sind Sie mit dem Bonifatiusjahr zufrieden?
Stöber: Ja, denn vor allem die Gemeinden haben auf vielfältige Weise an dem Gedenkjahr Anteil genommen. Ich bin erstaunt, wie viele Veranstaltungen dort stattgefunden haben und wie diese auch angenommen wurden. Gemeindefahrten auf den Spuren von Bonifatius, die Veranstaltungen des Katholischen Forums in Erfurt und die Teilnahme von Gemeinden unseres Bistums an der großen Bonifatiuswallfahrt in Fulda sind nur einige Beispiele. Bonifatius ist also einen Gestalt, die trotz ihrer "Fremdheit" auch heute noch fasziniert.
Frage: Was ist das Faszinierende?
Stöber: Alles an ihm ist -ich möchte es so sagen -Tat. Er redet nicht nur vom Aufbruch in ein neues Land, sondern er macht sich auf den Weg. Er träumt nicht von einer missionarischen Kirche, sondern er missioniert. Er redet nicht nur von Reformen, sondern reformiert. Er kämpft nicht nur gegen die heidnischen Götter an, sondern lebt ein grenzenloses Vertrauen auf den allmächtigen Gott. Das macht ihn greifbar und faszinierend.
Frage: Was sollte von diesem Jahr bleiben?
Stöber: Bonifatius sollte ein Stachel im Fleisch der Kirche, der Gemeinden und im eigenen Leben bleiben. Aufbrechen ist kein einmaliges Geschehen, sondern wir müssen immer wieder neu raus aus dem Gewohnten und Traditionellen. Es gilt immer neu nach vorne zu schauen und zu fragen: In welches "Land" will Gott uns heute führen? Und dann heißt es auch, mit Gottvertrauen loszugehen. Ein zweiter Wunsch: Bonifatius hat bei seiner Missionstätigkeit immer wieder die Rückbindung an den Papst gesucht. Damit hat er gezeigt, dass man Glauben nicht allein leben kann. Auch seine Kirchen- und Klostergründungen waren ein Zeichen dafür: Allein hat Glaube keine Chance, Glaube braucht Gemeinschaft.
Frage: Auch die evangelischen Christen in Thüringen haben in diesem Jahr an Bonifatius erinnert. Was hat das Gedenkjahr für die Ökumene gebracht?
Stöber: Es hat in den letzten Monaten zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen gegeben, angefangen von der ökumenischen Eröffnungsfeier in Erfurt bis hin zu Aktivitäten in den Pfarrgemeinden. Es ist erfreulich, dass unsere evangelischen Mitchristen Persönlichkeiten der gemeinsamen Kirchengeschichte für sich entdecken und schätzen lernen, auch wenn sie sie nicht als Heilige verehren. Schwierig für evangelische Christen an Bonifatius ist sicher dessen Beziehung nach Rom und zum Papst. Vielleicht können hier aber auch Entdeckungen auf eine gemeinsame Zukunft hin liegen: So wie Bonifatius nicht für sich allein Kirche sein konnte, sondern den Kontakt nach Rom suchte, brauchen auch wir heute den Kontakt untereinander, wenn wir glaubhaft das Evangelium verkünden wollen.
Frage: Welche Rolle spielt das Bonifatiusgedenken bei der Bistumswallfahrt an diesem Sonntag?
Stöber: Das Motto der Wallfahrt "glaube in bewegter zeit" verbindet uns mit Bonifatius. Zur Zeit des Bonifatius gab es viele politische Wirren und Veränderungen. Heute ist das genauso. Angesichts der politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Herausforderungen wollen wir fragen: Was heißt denn Glauben heute? Wenn wir das bei einer Wallfahrt tun, geht es nicht in erster Linie darum, über diese Frage nachzudenken. Wir wollen unsere Anliegen, Sorgen und Nöte, die unseren Glauben heute betreffen, im Gebet vor Gott tragen. Einen Schwerpunkt der Wallfahrt bildet das Thema Europa. Bonifatius gilt ja als einer der Baumeister des christlichen Europa. Seit Mai haben wir die erweiterte Europäischen Union. Wir wollen Bonifatius um seine Fürsprache für ein auf den christlichen Werten beruhendes, friedliches Zusammenleben im neuen Europa bitten. Deshalb sind wir froh, dass an der Wallfahrt auch Bischöfe und weitere Gäste aus europäischen Partnerstädten Erfurts teilnehmen.
Frage: Was kommt nach dem Meister-Eckhard-Jahr 2003 und dem Bonifatiusjahr 2004?
Stöber: Jetzt haben wir erst einmal etwas Zeit, um Luft zu holen. Den nächsten Höhepunkt gibt es für uns im Jahr 2007. Dann gedenken wir des 800. Geburtstages der heiligen Elisabeth, unserer Bistumspatronin.
Fragen: Matthias Holluba
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.09.2004