Vor mir ein Tisch
Ein Beitrag von Pater Damian Meyer
Ich sitze an meinem Arbeitstisch und schreibe diesen Text mit dem PC. Zum Essen setze ich mich an den Tisch im Speiseraum des Konvents. Zu einem längeren Gespräch sitze ich am Tisch mit einem Gast im Sprechzimmer oder mit Mitbrüdern und Schwestern um einen niedrigen Teetisch im Rekreationszimmer. Zur Feier der Eucharistie versammeln wir uns um den Altartisch in der Kapelle ...Andere Bilder von Tischen erscheinen vor meinem geistigen Auge: Verhandlungen werden geführt zwischen zwei Delegationen oder Parteien, die sich an einem langen Tisch gegenübersitzen. Manche Gespräche gelingen besser, wenn sich die Partner an einen runden Tisch setzen. Und dann gibt es noch den Tisch, hinter dem ein Richter sitzt und das Urteil verkündet.
Tische verschiedener Art sind also ein wichtiges Möbelstück. Im Leben Jesu spielten Gastmähler mit seinen Jüngern, mit Pharisäern und mit am Rande der Gesellschaft lebenden Menschen ("Sündern") eine große Rolle: "Er legte sich zu Tisch" (LK 7,36). Und er vergleicht die Vollendungsgestalt des Reiches Gottes mit einem Festmahl: "Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken" (LK 22,30).
Wie alle Dingen, mit denen wir täglich umgehen, kann vor allem der Tisch zum Bild und Gleichnis werden: "Der Tisch, den Gott für uns bereit hat, ist kein Arbeitstisch. Es geht nicht um Mühe und Anstrengung, um Leistung und Erfolg, denn Gott ist immer erst Gastgeber und dann Arbeitgeber. - Der Tisch, an dem Gott auf uns wartet, ist kein Richtertisch. Gott will uns nicht anhören, sondern zuhören und bei ihm sind wir nicht vorgeladen, sondern eingeladen. Gott will nicht Recht haben, sondern uns lieb haben. Er ist immer erst Retter und dann einmal Richter. - Der Tisch, den Gott für uns gedeckt hat, ist kein Ladentisch. Bei Gott kann man nichts kaufen und muss nichts bezahlen, denn Gott ist kein berechnender Geschäftsmann, sondern ein freigiebiger Vater, der seine Liebe umsonst verschenkt. - Der Tisch, an den Gott uns einlädt, ist kein Verhandlungstisch. Mit Gott kann man nicht handeln und braucht nicht um Vorteile zu kämpfen. Diplomatisches Geschick und kluges Ringen um günstige Kompromisse sind hier nicht gefragt. Denn Gott ist nicht unser Gegner, dem wir Gunst abringen, sondern unser Freund, der uns schon gewogen ist. - Gottes Tisch ist ein besonderer Tisch. Gott hat ihn mit Liebe gedeckt und ihn für uns bereitet. Er lädt uns ein zum Ausruhen und Aussprechen, zum Sattessen und Satttrinken, zum Bleiben und Wohnen. Gott setzt sich mit uns an einen Tisch, und wir dürfen aufatmen." (nach E. Luellemann)
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.09.2004