Vielseitiger Schultag im Pfarrhaus von Weida
Religionsunterricht am Samstag
Weida - Auf dem Tisch sieht es ziemlich bunt aus: Tuschkästen, Pinsel, Becher mit schon dunkelbraunem Wasser, Faserstifte, Papier. Und Kinderzeichnungen, auf denen in Ockergelb
und
Blau ein und dasselbe Motiv in unterschiedlichsten Variationen wiederkehrt: Eine Wüste mit einer Oase, darüber blauer Himmel, ein Zelt in der Wüste, Schafe, Hirten. Voller Eifer sind sieben um den Tisch versammelte Erst- bis Drittklässler aus Weida und Umgebung dabei, mit Pinsel und Farbe aufs Papier zu bringen, was sie gerade von Gemeindereferentin Monika Böhm gehört und auf Dias gesehen haben: Die Geschichte von Abraham, der Halbnomade war, eines Tages mit seiner Familie und seiner Herde in das gelobte Land aufbrach und die Erfahrung machte: Wer sich auf Gottes Wort einlässt, erfährt Gottes Segen und Begleitung.
Es ist Samstagvormittag und die vier Mädchen und drei Jungen haben Religionsunterricht. Und zwar drei Schulstunden hintereinander, unterbrochen nur von einer großen Pause, in der sie Frau Böhm ermuntert, für ein paar Minuten an die Luft zu gehen. In der Pause erzählt Philipp (dritte Klasse, aus Weida), er finde den Reli-Tag am Samstag ganz gut, auch wenn man - wie auch Eva-Maria (9) aus
Hohenölsen sagt - dafür "Freizeit opfern" muss. Kerstin (12) aus Niederpöllnitz kommt ebenfalls gern zu diesem Tag. "Es ist schön, wenn man alle wiedertrifft", sagt die Zwölfjährige, die in Weida das Gymnasium besucht. Sandra (11) bestätigt dies. Das Lernen mache ihr in der Gemeinschaft viel Freude. "Nicht ganz leicht" fällt allerdings auch ihr, dass dabei "so ziemlich der ganze freie Samstag drauf geht", besonders dann, wenn es aller drei Monate bis 17 Uhr dauert. Sandra freut sie sich schon auf die Religiöse Kinderwoche im Sommer.
In einem zweiten Gemeinderaum - durch eine Falttür von den "Kleinen" getrennt - sitzen die sieben Viert- bis Sechstkläss-ler. Heute geht es um erste Informationen über die Bibel. Pfarrer Winfried Hesse zeigt den Schülern eine hebräische Ausgabe des Alten und eine griechische Ausgabe des Neuen Testaments, erläutert den Kindern, dass es unterschiedlichste literarische Formen in der Bibel gibt, erklärt den Mädchen und Jungen, wie sie einzelne Schriftstellen in der
deutschen Einheitsübersetzung der Bibel finden können.
Begonnen hat der heutige Tag im Weidaer Pfarrhaus mit einer gemeinsamen Morgenrunde aller Kinder. "Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde", haben sie gesungen, während die Letzten noch eintrafen. Fast alle Kinder wurden von ihren Eltern gebracht, nur sechs der anwesenden Mädchen und Jungen kommen aus Weida selbst. Zwei gehen in die Grundschule in Hohenölsen, zwei in die Grundschule in Wünschendorf, ein Kind in Münchenbernsdorf ... "An der jeweiligen Schule Religionsunterricht zu halten, ist aufgrund der minimalen Zahl katholischer Kinder je Schule nicht möglich", sagt Pfarrer Winfried Hesse. "Hier in Weida gehen zum Beispiel je zwei Schüler in die Grund- und in die Regelschule beziehungsweise ins Gymnasium. So haben wir uns mit dem Bischöflichen Schulamt und mit Genehmigung des Thüringer Kultusministeriums entschlossen, die Kinder einmal im Monat am Samstag in das Pfarrhaus einzuladen, wo drei Stunden Religionsunterricht hintereinander stattfinden. Zusätzlich ist einmal monatlich am Dienstagnachmittag eine Stunde Religionsunterricht. So erhalten die Kinder praktisch eine Unterrichtsstunde pro Woche, was bei der geringen Kinderzahl angemessen ist." So ein Samstag sei ein Stück weit mit einem Tag der Religiösen Kinderwochen vergleichbar, wobei ein deutlicher Schwerpunkt darauf liegt, den Stoff des Lehrplanes zu vermitteln, aber auch zwischen den Kindern Gemeinschaft zu stiften und sie mit dem Glauben vertraut zu machen, sagt Pfarrer Hesse.
Mit Morgenkreis und Reli- gionsunterricht für die Erst- bis Dritt- und die Viert-bis Sechstklässler ist das Samstagsprogramm im Weidaer Pfarrhaus noch nicht zu Ende: Nach dem Unterricht wird Mittag gegessen, wozu natürlich das gemeinsame Tischgebet gehört. Nachdem sich die Kinder anschließend ein wenig ausgetobt haben, geht es weiter: Heute ist Referentin Annegret Beck, die seitens der Schulabteilung des Bistums Erfurt für das Unterrichtsprojekt verantwortlich ist, gekommen, um die Schüler mit der diesjährigen Misereor-Kinder-Fastenaktion bekannt zu machen, mit der Kindern in Indien geholfen werden soll. Sie hat - wie schon einmal - wieder Rucki-Rucksack mitgebracht, in dem die Schüler diesmal zwischen viel Plastikmüll einen Beutel mit einem 50-Mark-Schein und einige kleine Münzen finden. Jedes Kind möchte am liebsten die 50 Mark für sich haben. Im Gespräch erkennen die Erst- bis Sechstklässler, dass es nötig ist, zu teilen, besonders mit denen, die wenig oder nichts haben.
Mit einem "fliegenden Teppich" geht es nun gemeinsam nach Indien. Dort angekommen, macht Frau Beck die Kinder zunächst anhand von Landkarte und Bildern mit dem riesigen Land bekannt. Im Anschluss haben die Schüler an drei Stationen, die die Kinder in kleineren Gruppen nacheinander durchlaufen, die Möglichkeit, asiatische Besonderheiten kennen zu lernen: In der Teeküche wird aus Jogurt, Bananen und Mango das leckere Milchgetränk "Lassi" zubereitet. An einer anderen Station stellen die Kinder aus Draht und Wolle Armreifen, kleine Tiere und Autos her, denn die Kinder Indiens müssen sich ihr Spielzeug selbst basteln und sind dabei sehr erfinderisch. An der letzten Station entstehen aus Buntpapier Blumenketten, ein typisch asiatisches Symbol der Lebensfreude. Die Kinder sind eingeladen, auf die Blüten Dinge zu schreiben, die ihr Leben reicher machen, ohne dass diese Dinge Geld kosten. Und zu überlegen, was sie davon mit anderen teilen könnten.
In der Regel endet der gemeinsame Tag mit einem Wortgottesdienst und anschließendem Kaffeetrinken gegen 15 Uhr. Vier Mal im Jahr aber sind am Nachmittag die Eltern eingeladen, um mit ihren Kindern den Religionsunterrichtssamstag gemeinsam zu beschließen. Diesmal ist so ein Samstag und Frau Beck spricht mit den Eltern, ob sie bereit sind, diese Form des Religionsunterrichts weiter mitzutragen. Im großen Ganzen äußern sich die Eltern zufrieden mit der praktizierten Lösung. Um 16 Uhr wird der Tag dann mit der gemeinsamen Feier der Eucharistie abgeschlossen. Einige Eltern allerdings sind mit ihren Kinder zuvor schon aufgebrochen, da sie noch zu Geburtstagen wollen. So ist die Schar von Eltern und Kindern schon ein wenig dezimiert, als die Kinder ihre gebastelten Blumenketten zu einer Friedenskette quer durch den Kirchenraum spannen und noch einmal das Lied erklingt: "Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde ..." .
Eckhard Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 23.03.2001