Konsequent
Die Bistumsgründungen in Ostdeutschland vor zehn Jahren
Magdeburg / München -Durch die Erhebung der kirchlichen Regionen von Magdeburg und Erfurt zu Bistümern wurde 1994 rechtlich umschrieben, "was sich in der Praxis längst manifestiert hatte: eigenständige Ortskirchen in Magdeburg und in Erfurt". Zu diesem Schluss kommt der Historiker Clemens Brodkorb, der kürzlich anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Diözese Magdeburg in Magdeburg zum Thema "Vom Bischöflichen Verwaltungsbezirk zur Ortskirche" sprach.
Als der Heilige Stuhl am 8. Juli 1994 das Bistum Magdeburg errichtete, schien eine 50jährige Geschichte des Widerstandes gegen die vom DDR-Staat massiv geforderte Verselbständigung der Ostanteile westdeutscher Diözesen "auf den ersten Blick ein paradox anmutendes Ende zu finden", so Brodkorb, der im Archiv der Jesuiten in München arbeitet. Doch eben nur auf den ersten Blick paradox. Denn eigentlich sei die Errichtung der Diözesen nur konsequent gewesen
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele katholische Flüchtlinge und Heimatvertriebene auch in das dem Erzbistum Paderborn zugehörige Magdeburger Kommissariat geströmt. "Während die kirchliche Flüchtlingshilfe in den ersten Jahren weniger die Integration als vielmehr eine zeitlich begrenzte Aufnahme und Betreuung im Blick hatte, stellte sich die Situation nach 1949 bereits anders dar", so Brodkorb. Langsam entwickelte sich in den kirchlichen Verlautbarungen die Forderung, in der Region zu bleiben. "Auch wenn die Hoffnung auf Wiedervereinigung des Vaterlandes formal nie aufgegeben wurde, hatte sich spätestens seit Mitte der 50er Jahre bei den mitteldeutschen Katholiken ein Bewusstsein von ,katholischer Kirche im Osten' entwickelt, zu dem pastorale Konzepte und öffentliche Äußerungen von Bischöfen und anderen Amtsträgern erheblich beigetragen haben".
Zudem hatte der Heilige Stuhl im Ringen mit dem DDR-Staat und seiner Forderung eigenständiger Bistümer nach und nach eigenständige Strukturen geschaffen. Wichtiger Schritt war die Einsetzung von Apostolischen Administratoren 1973. Die Vatikanische Ostpolitik von Papst Paul VI. und Erzbischof Casaroli sei 1978 entschlossen gewesen, in Magdeburg, Erfurt und Schwerin Apostolische Administraturen zu errichten, so Brodkorb. Doch sei Paul VI. gestorben, ohne die entsprechenden Dekrete unterzeichnet zu haben.
Auch im innerkirchlichen Leben wurde ein Weg zu eigenständigen Ortskirchen zurückgelegt (Seelsorgeamt Magdeburg; eigene kirchliche Ausbildungsstätten wie Philosophisch-Theologisches Studium Erfurt, Priesterseminar Huysburg, Seelsorgehelferinnenseminar Magdeburg; Religiöse Kinderwochen; priesterlose Gottesdienste auf Außenstationen). Gezielt sei in Magdeburg an der Identitätsbildung der Ortskirche gearbeitet worden. So wurden etwa die Wallfahrten zur Huysburg oder zum Petersberg bei Halle initiiert und die Verehrung regionaler Heiliger gefördert.
Als dann 1989 eine große Fluchtbewegung begann, nahmen die Bischöfe der Berliner Bischofskonferenz wie etwa der Magdeburger Bischof Johannes Braun anders als in den 50er Jahren unmissverständlich öffentlich zur Frage des Bleibens Stellung. Die katholische Kirche in der Sowjetischen Besatzungszone / DDR war von einer Flüchtlingskirche zu einer "Kirche in der DDR" und eben auch zu einer "Kirche im Bischöflichen Amt Magdeburg" geworden ...
Dass dies möglich war, so Brodkorb, sei nicht zuletzt den Mutterdiözesen wie etwa Paderborn zu verdanken, wie auch der Erfurter Bischof Joachim Wanke 1994 vor einer Bundestags- Enquetekommission betont habe: Vielfältige und umfassende Hilfe sei immer so geleistet worden, dass die Kirchen im Osten volle Entscheidungsfreiheit behielten.
Eckhard Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 06.10.2004