Das Rosenkranzwunder
Ronald Kudla schreibt aus Togo
Seit Anfang September lebt und arbeitet Ronald Kudla in Togo in Afrika. In diesem Beitrag, den der TAG DES HERRN anlässlich des Weltmissionssonntages veröffentlicht, berichtet der aus dem Bistum Magdeburg kommende Priester über eines seiner ersten Erlebnisse in Afrika:
Als ich vor sechs Wochen als "ausgeliehener" Priester des Bistums Magdeburg in der Gemeinde Ketao im Norden Togos ankam, merkte ich schon, dass der Rosenkranz hier eine große Rolle spielt. Beispielsweise trafen sich am Sonntagabend so etwa hundert Leute bei einer Marienstatue hinter der Kirche. Im Oktober ging es dann richtig los. In jedem Viertel des 30 000-Seelen-Dorfes veranstaltet irgendwer ein abendliches Gebetstreffen.
Ich machte mich einmal beim Einbruch der kurzen tropischen Dämmerung mit einem Begleiter auf den Weg. Unser Weg führt durch hohe Hirse-Felder, die am Ende der Regenzeit zur Ernte reifen. Als wir ankommen, ist es schon dunkel. In der Mitte des Hofes von kleinen schäbig wirkenden Hütten steht ein sauberes Tischchen mit einem Kreuz, einer Marienfigur und zwei Kerzen. Langsam scharen sich aus allen Richtungen Menschen drumherum. Wenn das kleine Licht spärlich die Gesichter erleuchtet, hat es etwas Geheimnisvolles an sich. Ich muss an die adventlichen oder weihnachtlichen Zusammenkünfte bei Kerzenschein denken, die es in Deutschland gibt.
Am Ende sind wir etwa 35 Leute. Viele Jugendliche und Kinder sind dabei. Ein Jugendlicher ergreift dann die Initiative, sagt die Gesetze des Rosenkranzes an und erklärt sie mit Hilfe eines schon oft verwendeten Zettels. Vor jedem Abschnitt sprechen Leute spontane Anliegen aus. Man bittet, für die Kranken, für die Kinder ohne Eltern, für die Leute im Krieg, aber vor allen für jene, die im Viertel nicht an Jesus glauben.
Es zeigt sich wieder einmal, dass der Rosenkranz das Gebet der einfachen Leute ist. Die Leute leben hier wirklich sehr einfach, ohne Strom und fließendes Wasser, von Malaria und anderen Krankheiten geplagt. Das Rosenkranzgebet wird von Liedern in Französisch oder Kabiyé, der Orts-Sprache, begleitet, und von Zeit zu Zeit übertönt von den Lautsprechern der nahe liegenden Moschee. Am Ende werden eine Litanei und das lange Gebet für den Frieden und die Entwicklung gebetet, das in ganz Togo verbreitet ist. Noch immer beklagt man im quasi Ein-Parteien-Staat einen Mangel an Demokratie und die Misswirtschaft.
Rafael Mousou, ein pensionierter Lehrer und Quartiers- Verantwortlicher, ergreift am Ende das Wort. Ihm liegt sehr an der guten Gemeinschaft der Christen im Viertel. Nun möchte er noch wissen, wer von den Leuten Katechumene ist. Es melden sich neun, die noch nicht getauft sind. Der Katechist macht ihnen Mut, denn dieser Tage hat der Unterricht wieder angefangen, und einige haben gefehlt. Hier beim Rosenkranz trifft man sie dann.
Zum Abschluss wird die Kollekte durchgeführt und der Segen gespendet. Das Schlusslied lautet: "Mein Leben lang möchte ich deinem Namen singen ...". Dann nimmt jeder seine Taschenlampe und geht nach Hause. Als ich andere Quartiere passiere, höre ich noch in einem Gehöft Gesang und nehme den Widerschein einer flackernden Kerze wahr. An diesem Abend haben etwa 500 Christen in Ketao den Rosenkranz gebetet. Und morgen wird es wieder so sein.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 21.10.2004