Möglichkeiten besser ausschöpfen
Ökumene im Bistum Dresden-Meißen
Frage: Mit einer ökumenischen Vesper soll in Dresden an die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre vor fünf Jahren erinnert werden. Sind denn aus Ihrer Sicht von diesem Ereignis Impulse für die Ökumene in Sachsen ausgegangen?
Dittrich: Leider so gut wie gar nicht, aber das gilt meines Erachtens nicht nur für Sachsen, sondern für ganz Deutschland. Die Feier am 30. Oktober, bei der wir gemeinsam von der katholischen Hofkirche zur evangelischen Annenkirche gehen, soll noch einmal ins Bewusstsein heben, dass die Kirchen auf einem gemeinsamen Weg sind und dass die gemeinsame Erklärung ein ganz entscheidender Schritt war.
Frage: Seit den Verlautbarungen der deutschen Bischöfe vor einigen Monaten zum 40. Jahrestag der Konzils-Konstitution zur Liturgie sind hier und da frustrierte Töne zu vernehmen, was Ökumene angeht. "Wir haben uns jahrelang bemüht im schwierigen Spagat zwischen der Einheit mit der eigenen Kirche und der Annäherung an die evangelische", ist aus manchen katholischen Gemeinden zu hören, wenn es beispielsweise um ökumenische Gottesdienste am Pfingstmontag geht. In Folge der Bischofsworte sei manches mühsam Errungene wieder zerbrochen, so der Eindruck. Halten Sie diese Äußerungen für berechtigt?
Dittrich: Wir sollten das Anliegen nicht aus den Augen verlieren. Es ging doch darum, die Eucharistie wieder in das richtige Licht zu rücken, ohne dadurch aber eingeschlagene ökumenische Wege zu gefährden. Die Eucharistie ist für uns so wichtig, dass wir an Sonn- und Feiertagen nicht darauf verzichten wollen. Ökumenische Gottesdienste sollten deshalb so gelegt werden, dass das auch möglich ist. In den letzten Jahrzehnten hat sich einiges eingebürgert, was den eigentlichen Gehalt von Eucharistie und Abendmahl zu verwässern droht, von einer Gemeinde habe ich zum Beispiel gehört, dass dort Eucharistie und Abendmahl parallel am gleichen Altar gefeiert wurden. Wie kostbar dem Papst und den Bischöfen aber auch die Ökumene ist, wird besonders deutlich in der 1995 veröffentlichten Enzyklika "Ut unum sint".
Frage: Was raten Sie katholischen Gemeinden für den Umgang mit evangelischen Nachbargemeinden, die mit Unverständnis und Enttäuschung auf katholische Kursänderungen reagiert haben?
Dittrich: Ich halte es für sehr wichtig, dass sich die Katholiken von neuem und verstärkt bewusst machen, welchen Stellenwert die Eucharistie für sie selbst hat. Nur dann können sie auch den evangelischen Christen erklären, warum die sonntägliche Eucharistie für sie so wichtig ist. Ich fände es darüber hinaus wünschenswert, wenn die Qualität der Ökumene nicht nur an der Verwirklichung des Wunsches nach gemeinsamem Abendmahl gemessen würde. Es gibt so viele Möglichkeiten, Ökumene zu leben, die in vielen Gemeinden längst nicht ausgeschöpft sind.
Frage: An was denken Sie da zum Beispiel?
Dittrich: Möglich sind etwa gemeinsame Taufgedächtnisgottesdienste, Glaubensseminare, Feiern zu verschiedenen Höhepunkten des Kirchenjahres, gemeinsames Stundengebet, Treffen konfessionsverschiedener Ehepaare und vieles mehr. Der Ökumenische Kirchentag in Berlin war in dieser Hinsicht sehr inspirierend. Dort ist es gelungen, Gemeinsamkeit zu suchen, dabei aber gleichzeitig das Spezielle der Konfessionen zu wahren. Öffentliche Veranstaltungen und Initiativen, die von beiden Kirchen getragen werden, könnten mehr in den Blickpunkt der Gemeinden treten -weg von einer zu engen Kirchturmpolitik. Die Bischöfe machen beispielsweise öffentliche Erklärungen -wie zuletzt den Aufruf zur sächsischen Landtagswahl -grundsätzlich nur noch gemeinsam. Wer Anregungen für die ökumenische Praxis in den Gemeinden sucht, sollte einmal das -sprachlich allerdings etwas sperrige -"Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen des Ökumenismus" zur Hand nehmen (2. Auflage 1993).
Interview: D. Wanzek
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 21.10.2004