Wer hütet uns auf diesem Planeten
Ein Beitrag von Pater Damian Meyer
Die Psalmen der Bibel gehören seit je her zum Gebetsschatz der Kirche. Unter diesen Liedern ist der 23. Psalm einer der bekanntesten und beliebtesten. Unzählige Menschen haben beim Beten dieses Vertrauenspsalms Trost und Stärke erhalten. Auf die archaischen Bilder - grüne Auen, klare Wasser, guter Weg, gedeckter Tisch, übervolle Becher, ein Haus voller Glück und Freundlichkeit - spricht die Sehnsucht unseres Herzens an. Andere haben Schwierigkeiten, diesen Psalm zu beten, beispielsweise die Schriftstellerin Ingeborg Drehwitz: "Wenn ich den Psalm bete, erschreckt mich der Trost, ein einfacher, vielleicht ein billiger Trost?... Dass ich mich gegen den Psalm, den ich liebe, wehre ...? Vielleicht hat er zu viel Gefügigkeit provoziert - unsere jüngste Geschichte ist voll davon." Moderne Nachdichtungen der Psalmen provozieren manchmal den Beter, so dass ihm die tradierten Texte nicht so leicht über die Lippen kommen. Sie machen nachdenklich.
Ich möchte hier ohne weiteren Kommentar den Text des 23. Psalms und die Nachdichtung von Arnim Juhre nebeneinander stellen.
Original:"Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. / Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. / Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. / Muss ich auch wandern in finstrer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; / denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. / Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. / Du salbst mein Haupt mit Öl, du füllst mir reichlich den Becher. / Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit."
Nachdichtung: "Wer hütet uns auf diesem Planeten? / Meine Seele möchte sich erquicken. / Frisches Wasser wird knapp. / Das finstere Tal / hat elektrisches Licht. / Gute Laune sendet / das Fernsehprogramm. // Die Herrn von Welt / bugsieren behende / ihr Schäfchen ins Trockne, / versichern hoch und eilig gegen / Diebstahl, Unfall, Krankheit, Tod. / Indessen rückt näher / die Hungerfront. // Üppig wird uns der Tisch gedeckt. / So werden wir Feinde bekommen. / Wer sich voll einschenkt, / macht andern Durst. / Wer wird im Weltgericht / die Rechtsgüter wägen? / Wer wird wessen Anwalt sein?"
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 04.11.2004