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Verheißungsvoll?

Die friedliche Revolution von 1989 und der Berliner Guardini-Lehrstuhl

Thomas Brose: Das 15jährige Bemühen um die Wiederbelebung des Guardini-Lehrstuhls ist eine Erfolgsgeschichte.

Die katholische Theologie ist in die Mitte der Berliner Bildungslandschaft zurückgekehrt. Mit der Errichtung des Guardini- Lehrstuhls ist sie nach 65 Jahren wieder an der Humboldt- Universität präsent. Aus diesem Anlass schrieb der in Berlin lebende Theologe Thomas Brose den folgenden Beitrag, in dem er an die Anfänge des Engagements katholischer Studenten an der Humboldt-Uni in der Wendezeit erinnert. Brose war damals Bildungsreferent der Ostberliner Katholischen Studentengemeinde (KSG):

"Wer gibt Ihnen überhaupt das Recht, für ‚unsere' Menschen zu sprechen?" -Solche und ähnliche Wendungen bekamen Christen zu hören, wenn sie es einmal wagten, ihre Meinung an einer DDR-Universität offen auszusprechen. Weil Bildungspolitik Fragen des Machterhalts ganz unmittelbar betraf, wurden kritische Äußerungen nicht geduldet. Folge: Nicht selten der Rauswurf.

Darum war es ein revolutionärer Schritt, als sich im Spätherbst 1989 erstmals junge Leute mutig ins Foyer der Humboldt- Universität stellten und dort -nach 40 Jahren verordneter Sprachlosigkeit -ein Tabu brachen, indem sie unter Hinweis auf Romano Guardini Freiräume für die Katholische Studentengemeinde (KSG) einforderten. In jenen Zeiten des Übergangs gelang es, mit Diskussionsrunden, Vorträgen und einem großen "Menschenwürde"- Symposium an den 1939 von den Nazis verbotenen "Guardini- Lehrstuhl" anzuknüpfen." Wie dokumentiert, war es Karl-Heinz Ducke, Sozialethiker und Moderator des Runden Tisches, vorbehalten, die Reihe "Umstrittene Menschenwürde" mit dem Hinweis zu eröffnen: Der NS-Staat habe der 16 Jahre währenden Lehrtätigkeit Guardinis ein schlimmes Ende gemacht und die sozialistische Universität habe keinen Anlass gesehen, das zu revidieren. "Das will die Katholische Studentengemeinde mit ihrer Initiative ändern."

und es war ein langer Weg im atheistisch geprägten Milieu der Universität Fuß zu fassen", erinnert sich Bernhard Schrammek. Der Leipziger Musikwissenschaftler erläutert, wie die KSG kontinuierlich zu Vorlesungen und Studientagen eingeladen habe: Anfangs seien 30 bis 50, später 80 bis 100 Leute gekommen. Seit Mitte der 90er Jahre, ergänzt der Magdeburger Informatiker Matthias Werner, habe die Studentengemeinde schließlich gemeinsam mit der Katholischen Akademie die Guardini- Lectures ins Leben gerufen. "Wenn dann zu einem Abend bis zu 200 Hörerinnen und Hörer gekommen sind, ist das in der Universität wahrgenommen worden."

Das 15-jährige Bemühen um die Wiederbelebung des Guardini- Lehrstuhls ist darum bei allem Gegenwind, den es von universitärer und kirchlicher Seite gab, eine Erfolgsgeschichte, die mit der Zeit ihren Siegeszug angetreten hat. Ausdruck für den ganz besonderen Reiz und das Ansehen, den der Lehrstuhl "Für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung" heute wieder erlangt hat, ist die Tatsache, dass die Stiftung Propter Homines und die Fürst- Franz-Josef-von-Liechtenstein- Stiftung (Vaduz) Mittel aufgebracht hat, um das Projekt zu finanzieren. In Anwesenheit von Bundespräsident Horst Köhler und Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl konnte der Präsident der Guardini-Stiftung, Ludwig von Pufendorf, bei einem Festakt im Berliner Zeughaus darum kürzlich verkünden, die Guardini- Stiftungsprofessur werde an der Evangelisch-Theologischen Fakultät für zunächst fünf Jahre errichtet und ab Sommersemester 2005 von dem Bonner Philosophen Ludger Honnefelder wahrgenommen.

In seinem Vortrag anlässlich der festlichen Eröffnung des altneuen Lehrstuhl warnte schließlich Kardinal Karl Lehmann, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, davor, den Glaubens-Begiff zu missbrauchen und für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Dass der Glaube jedoch ein befreiendes und ermutigendes Potential in sich trägt und viele Christen im Herbst 1989 ganz wesentlich dazu bewegt hat, an der europäischen Freiheitsrevolution mitzuwirken, blieb an diesem Abend merkwürdigerweise unerwähnt -es hätte sich angeboten.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 47 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 18.11.2004

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