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Keine Krise, aber Ökumene geht jetzt langsamer

Ein Interview der mitteldeutschen Kirchenzeitungen

Marita Krüger und Heinz Gunkel Die"Sturm- und Drangzeit" der Ökumene ist vorbei, sagte kürzlich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber. Steckt die Ökumene in der Krise? Manches deutet darauf hin. Die evangelischen Kirchenzeitungen in Mitteldeutschland und der Tag des Herrn haben nachgefragt bei der Meininger Oberkirchenrätin Marita Krüger (Visitatorin für Südthüringen und bisher Dezernentin für Ökumene und Gottesdienst der Thüringer Landeskirche) und beim Erfurter Offizial Heinz Gunkel (Ökumenebeauftragter des Bistums und Leiter des kirchlichen Gerichtes). Beide vertreten ihre Kirchen in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Thüringen.

Frau Oberkirchenrätin, haben Sie noch Vertrauen zu katholischen Christen, wenn es um Ökumene geht?
Krüger: Immer. Ich wüsste nicht, was mich hindern sollte, mit katholischen Christen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel Gemeinsamkeiten entdeckt und viele gute Ergebnisse erzielt. Denken Sie nur an den Ökumenischen Kirchentag in Berlin. Das wäre vor zehn Jahren undenkbar gewesen. Natürlich gibt es auch evangelische Christen, die das anders sehen und von den "falschen Katholiken" reden. Aber das ist sehr, sehr selten geworden.
Trotzdem gibt es immer wieder Rückschläge in der Ökumene. Woran hakt es denn?
Krüger: Es ist vor allem der Zeitdruck, unter den wir uns setzen. Wir glauben, es muss alles schnell gehen. Und wenn wir die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sehen, fragt man sich natürlich, wann wir endlich gemeinsam Abendmahl feiern können.
Dazu kommt, dass wir als Kirchen gerade in einer Phase der Konsolidierung sind. Wir fragen: Wer sind wir? Was können und wollen wir? Und was nicht? Oft kommen nach Zeiten großer Bewegungen Zeiten des Nachdenkens. In dieser Situation befinden wir uns. Nach außen sieht es manchmal so aus, als sei die katholische Kirche der ökumenische Bremsklotz. Wenn wir als Evangelische etwas wollen, kommen die Katholiken und sagen Nein. Aber sehen Sie sich mal die Verlautbarungen der evangelischen Kirche an. Da wird in den letzten Jahren auch immer deutlicher nach dem eigenen, dem protestantischen Profil gefragt.
Gunkel: Je näher wir uns als Kirchen kommen, umso mehr erkennen wir, was alles noch auf dem Wege zur Einheit im Wege steht. Das ist wie in einer Partnerschaft, wo man sich näher kommt und man schwierige Dinge am anderen entdeckt, die so bisher nicht gesehen wurden. Die Frage ist, wie geht man damit um. Nimmt man das zum Anlass, um den anderen klein zu machen? Oder gilt auch hier, dass wir gemeinsam Freud und Leid teilen? Wer durch die Taufe mit Jesus Christus verbunden ist, muss mit dem Bruder oder der Schwester alles teilen.
Was wünschen Sie sich vom anderen Partner: Worauf sollt er beim Nachdenken über sein Profil besonderen Wert legen?
Gunkel: Ich wünsche mir ein stärkeres Nachdenken über die Feier des Abendmahls. Für uns Katholiken ist das ja ein zentraler Punkt. Ich spüre schon, dass bei den evangelischen Christen hier etwas in Gang gekommen ist. Aber das muss stärker werden, denn uns geht es ja nicht um irgendein nettes Miteinander in der Ökumene, sondern um ein gemeinsames Leben aus dem Herrn.
Krüger: Ich wünsche mir, dass wir einen der beiden Pfingstfeiertage als ökumenischen Tag begehen können -mit einem ökumenischen Gottesdienst. Und dass ein solcher Tag nicht daran scheitert, dass in der katholischen Kirche eine Eucharistiefeier vorgeschrieben ist. Und einen zweiten Wunsch habe ich: Vor allem an der Basis muss es mehr ökumenischen Austausch geben. Wir brauchen nicht nur die großen ökumenischen Gespräche, sondern auch Pfarrgemeinde- und Gemeindekirchenräte müssen zusammenkommen und beispielsweise über die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung sprechen.
Was ist das Ziel der Ökumene? Wohin soll der Weg führen -zu einer einheitlichen Kirche oder zu "versöhnter Verschiedenheit"?
Krüger: Es ist eine Illusion zu meinen, wir könnten zu einer Weltkirche kommen. Da sind die Entwicklungen, Biografien, Geographien, Kulturen, Traditionen viel zu unterschiedlich. Wir dürfen hier auch nicht nur Katholiken und Protestanten sehen. Großen Gesprächsbedarf gibt es ja auch mit den Orthodoxen. Für mich heißt das Ziel: In der Verschiedenheit Gemeinsames finden. Auf diesem Wege sind wir mit vielen gemeinsamen Erklärungen und im Besonderen der Charta Oecumenica oder auch mit den großen evangelischen Weltbünden. Weil es die Unterschiede gibt, können wir nicht sagen, wir schließen uns jetzt zu einer großen Einheit zusammen.
Gunkel: Da habe ich natürlich eine andere Sicht. Ich verstehe mich als Teil einer Weltkirche - auch wenn es in dieser Kirche große Unterschiede etwa zwischen Europa und Afrika gibt. Hier leistet der Papst als Integrationsfigur einen wichtigen Dienst. Das Modell der versöhnten Verschiedenheit ist mir deshalb zu wenig. Wir brauchen ein Modell, das jeden in seiner Geschichte und in seiner Frömmigkeit ernst nimmt, das das Verbindende aber deutlich erkennbar macht - vor allem auch nach außen. Dort muss wahrgenommen werden: Das ist die Kirche, dafür tritt sie ein, dafür legt sie Zeugnis ab. Diese Gemeinsamkeit ist das Entscheidende. Welche Form das dann hat, wird sich zeigen.
Mit der Ökumene geht es also nicht mehr so schnell voran. Was können jetzt die Gemeinden tun, damit der Prozess nicht zum Stillstand kommt?
Krüger: Die ökumenische Kontaktgruppe in Thüringen hat einen gemeinsamen ökumenischen Festtagskalender erstellt. Er soll helfen, die Festtage der anderen Konfession besser zu verstehen: Warum feiern die Katholiken Fronleichnam und wa-rum die Protestanten den Reformationstag. gerade diese Tagen eignen sich für ökumenische Aktivitäten. Eine andere Möglichkeit ist das Voneinander-Lernen: Was ist eigentlich die Kommunion und wie bereitet man Kinder darauf vor? Wie gestaltet man eine Bibelstunde und spricht über seinen eigenen Glauben? Was unterscheidet Pfarrgemeinde- und Gemeindekirchenrat -auch theologisch vom allgemeinen Priestertum her gesehen? Es gibt viele Fragen, die nicht nur in der Gebetswoche für die Einheit der Christen ihren Platz haben.
Wichtig für die Ökumene vor Ort ist auch die Frage: Wie treten wir als Christen in dieser Gesellschaft auf? Bringen wir die christliche Botschaft gemeinsam rüber? Oder sagen Außenstehende: Na, die sind sich ja selber nicht einig. Der großen Menge von Konfessionslosen in unserem Land ist der Unterschied zwischen evangelisch und katholisch egal.
Gunkel: Ich finde es wichtig, dass wir Christen gemeinsam in der Heiligen Schrift lesen. Diese Auseinandersetzung mit der Schrift hat uns im Umgang mit den Partnern der Ökumene entscheidend voran gebracht. Auch in der katholischen Kirche gibt es inzwischen Bibelkreise, aber es gibt zu wenige ökumenische Bibelkreise. Austausch könnte aber auch über konkrete Dinge angebracht sein, beispielsweise über die Strukturveränderungen, die eine veränderte Pastoral in den Gemeinden erfordert. Wir haben zum Beispiel Erfahrungen damit, dass ein Pfarrer für viele Orte zuständig ist. Eine gute Möglichkeit sind auch gegenseitige Einladungen zur Feier der Erstkommunion oder der Konfirmation.
Zum Schluss noch einen Tipp für das ökumenische Miteinander vor Ort: Was sollte man auf alle Fälle unterlassen, wenn man den ökumenischen Partner nicht vollkommen verärgern will?
Krüger: Sie können alles machen, aber bitte nichts mit Weihwasser. Jedesmal, wenn ich etwas Positives zum Thema Weihwasser und Taufgedächtnis sage, heißt es: Das ist zu katholisch. Ich selbst könnte mir auch den Weihrauch gut in der Kirche vorstellen, aber da befürchte ich noch heftigere Proteste als gegen den Papst.
Gunkel: Mit der wachsenden Wertschätzung der Partner in der Ökumene ist die Sensibilität für das, was den anderen verletzen könnte, gestiegen. Es ist besser, dass wir unseren Blick auf das richten, was wir tun sollten, und nicht auf das, was zu vermeiden ist. Das gilt schon für jeden Vorsatz bei der Beichte. Wir sind gemeinsam vor Gott dankbar für das, was sich in den letzten 40 Jahren in der Ökumene getan hat und heute bereits selbstverständlicher Standard ist. Wer über seine eigenen Lebensgeschichte nachdenkt, der wird sich in den Chor der Dankbaren einreihen.

Fragen: Harald Krille (Gemeinsame Redaktion der evangelischen Kirchenzeitungen) und Matthias Holluba (Tag des Herrn)

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 48 des 54. Jahrgangs (im Jahr 2004).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 30.11.2004

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