Warum gibt es überhaupt etwas?
Cottbuser Akademie auf der Suche nach dem letzten Geheimnis
Cottbus (as) -Goethes Faust beklagte schon seine Unwissenheit. Und wie ein "Tor" mag sich auch der vermeintlich Wissende in Platons Dialogen vorgekommen sein, als Sokrates ihm nachwies, dass er "nichts weiß" und dass das, was er weiß, nur Ausschnitte, Umrisse oder unscharfe Bilder dessen sein können, was die gesamte Wirklichkeit ausmacht.
Menschliches Wissen, so der Cottbuser Technikphilosoph Professor Klaus Kornwachs, ist begrenzt, gleichwohl der Wissensdurst unstillbar zu sein scheint. Aber die Frage nach dem, "was wir noch wissen können", führt zu der Frage nach dem "Wissen unserer Grenze". Darum ging es bei der letzten Veranstaltung des Cottbuser Akademieforums in diesem Jahr, das am 17. November im St.-Johannes-Haus stattfand.
Kornwachs verabreicht seinen Zuhörern keine leichte Kost. Die Erfahrung der Grenzen menschlichen Wissens und Erkenntnismöglichkeiten scheint sich wie ein roter Faden durch die gesamte Philosophiegeschichte zu ziehen. Das setzt aber voraus, dass man erst einmal weiß, was das Wissen überhaupt ausmacht. Wissen heißt dabei mehr als das, was der Mensch "im Kopf hat", sondern ist verbunden mit dem "Können" menschlicher Erfindung. Der dem Wissensdurst innewohnende Fortschritt hat es weit gebracht. Aber, so Kornwachs, auch die Gleichsetzung von Wissen und Können hat seine Grenzen, denn es geschieht eine Menge, "wobei wir keine Ahnung haben, warum es eigentlich funktioniert". Die Zeugung eines Menschen, die Organisation eines Staates oder das Hervorbringen und der Genuss von Kunstwerken.
Worin aber liegen dann die Grenzen des Wissens? Zunächst, so Kornwachs, in der trivialen Aussage, dass die Zeit, die man zur Verfügung hat, begrenzt ist und dass man sich schon deshalb nicht alles Wissen aneignen kann. Versuche, das Wissen in Einheitsformeln zu vollenden, sind andererseits gescheitert, so dass man sagen muss: Das menschliche Wissen ist und bleibt unvollendet. Das Gegenteil wäre "das Ende der Wissenschaft und die Grenze des Wissens in dem Sinne, dass es dann einfach nicht mehr weiteres zu wissen gibt." Ebenso seien die Ressourcen des Menschen begrenzt.
Die entscheidende Frage ist für Kornwachs aber die nach der Existenz, die wohl am deutlichsten das Verhältnis von Wissen und Nichtwissen ausdrückt und in Bereiche führt, "in denen wir gleich gar nichts wissen". "Warum ist etwas und vielmehr nicht nichts", fragte Leibnitz einst. Bereiche der Naturwissenschaften könnten zwar erklären, "was nach dem Urknall geschah, aber nicht warum es geschah". Und auch, wenn man sagte, Gott habe die Welt geschaffen, könne man noch nicht sagen, warum er sie geschaffen habe. Dieses "Grenzgebiet" zwischen moderner Wissenschaft und Theologie zeigt geradezu exemplarisch das Verhältnis zwischen Wissen und Glauben.
Vielleicht müssten sich auch Naturwissenschaftler wieder die "Warum-Frage" stellen -denn dieses Geheimnis haben sie der Welt noch nicht entrissen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 26.11.2004