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Gegen den Strom

Kinderwallfahrt in Wittichenau

Wittichenau - In die Schützenhalle von Wittichenau kommt an diesem Nachmittag Leben. Dicht bei dicht sitzen die Kinder, recken die Hälse, rutschen unruhig auf den Bänken hin und her. Der Junge auf der Bühne mit der Schärpe über seinem Gewand wickelt eine weitere Papierrolle zusammen, ergreift seinen Wanderstab und macht sich auf den Weg zwischen den Bänken hindurch. Diesmal dahin, wo ein Mädchen das Schild mit der Aufschrift "Korinth" hält. Dort liest er, der Apostel, seinen Brief laut vor. Der Briefeschreiber Paulus steht als Thema im Mittelpunkt der Kinderwallfahrt des Bistums Görlitz. "Zusammen mit Paulus", so lautet das Motto. Etwa 350 Mädchen und Jungen aus 27 Pfarreien haben sich in Wittichenau angemeldet. Immer wieder kommen die Kinder auf die Bühne, spielen vor antiker Kulisse mit Marmorbüsten Szenen aus dem Leben des Paulus. Als Bewohner von Lystra schauen sie zu, wie er einen Gelähmten wieder zum Laufen bringt. Sie liefern ihre Zauberbücher ab oder steinigen den Apostel mit mächtigen Styropor-Brocken.

"Sinn dieser Wallfahrt ist es, lebendige Gemeinde zu werden", sagt Gabriele Kretschmer, Gemeindereferentin von St. Jakobus in Görlitz bei der Eröffnung. "Und Gemeinde sein, das heißt, manchmal nicht wie alle sein. Nicht unbedingt die Markenjeans haben müssen oder den Gameboy. Auch mal gegen den Strom schwimmen." Dann singen alle: "Sei ein lebendiger Fisch, schwimme doch gegen den Strom".

Auf der Wiese am Schützenhaus gehen die Kinder anschließend auf dem "Markt der Möglichkeiten" von Station zu Station. Da können sie an einer Stelle Pfarrer Christoph Lamm lauschen, der mit verstellter Stimme die Figuren aus dem Pumuckl-Buch zum Leben erweckt. So vermittelt er einen Eindruck davon, wie man zu Paulus' Zeiten Wissen weitergab und sich vergnügte: Durch das Erzählen. Diözesanjugendseelsorger Bosco Marschner führt die Mädchen und Jungen in die alte Kunst der Seiherstellung und des Knotenschürzens ein. "Seile braucht man zum Beispiel als Gürtel für den Kaftan", erklärt er. Eine Hausarbeit, die die Menschen damals nebenbei erledigten, lernen die Kinder an einer anderen Station kennen: Makramee. Vorsichtig verknoten sie bunte Schnüre miteinander. Nebenan freut sich ein Mädchen, wie sich der Knopf an einem Faden zu drehen beginnt. So wie "Knöpfe-Surren" könnte ein Spiel ausgesehen haben, an dem sich die Kinder damals erfreuten. Oder wie "Indiaka", eine Urform von Federball, bei der ein mit Federn gespickter Lederbeutel mit der Hand geschlagen wird. Eine uralte Transportform lernen die Kinder beim Reiten auf einem gescheckten Pferd kennen. Und den Beruf des Paulus an der Station daneben: Herstellen müssen sie ein Zelt nicht gleich, aber aufbauen. Am Sonntag morgen, gegen sieben Uhr brechen sie zur eigentlichen Wallfahrt auf. Etwa zwölf Kilometer zu Fuß bis zur Wallfahrtskirche in Rosenthal. Dort versammelten sie sich zur Messe mit Bischof Rudolf Müller. Der Rückweg war bequemer: Den legten sie im Kremserwagen zurück.

Tomas Gärtner

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 27 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Samstag, 07.07.2001

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