Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Bistum Görlitz

Vom Paradies in die Hölle

Görlitzer Katholiken gedachten den Opfern der Flutkatastrophe

Görlitz -Während draußen noch die letzten Silvesterböller abgefeuert wurden, herrschte in der St.-Jakobus-Kathedrale in den späten Nachmittagsstunden des Neujahrtages betroffene Stille. Etwa 100 Menschen waren der Einladung von Pfarrer Georg Walter gefolgt, der zu einer "Begegnung und Besinnung eingeladen hatte, weil so viele betroffen, erschrocken, verwirrt sind durch die unvorstellbare Seebeben- Katastrophe in Südasien. "Wir müssen etwas tun, weil soviele Ohnmacht fühlen und sich Fragen auftürmen, die unbeantwortet bleiben.”

Auf dem Altar stand ein beleuchteter Globus, daneben zwei leere Kerzenleuchter. Dieses eindrucksvolle Bild bot sich den Gläubigen beim Eintritt in die Kathedrale. Der Pfarrer der Gemeinde, Wolfgang Kresák, und Pfarrer Walter leiteten die Gedenkfeier. "Das Ereignis ist so anders als unser Alltag in Gesellschaft und Kirche, dass auch diese Begegnung anders sein soll: Der Katastrophe angemessen, schmucklos", erklärt Pfarrer Walter den Auftritt der Geistlichen ohne liturgische Kleidung.

Geistlichen ohne liturgische Kleidung. In der Schriftlesung aus Markus 13, 1-8 und 14-27 beschreibt Jesus geradezu das, was der Zuschauer auf den Bildschirmen von diesem Ereignis noch immer täglich in die Wohnzimmer geliefert bekommt: Kein Stein wird auf dem anderen bleiben, alles wird niedergerissen und wer gerade auf dem Dach ist, der soll nicht hinabsteigen und ins Haus gehen, um etwas mitzunehmen.

Derzeit ist es warm in Indien, in Indonesien, auf den Malediven. Wenigstens werden die Menschen nicht erfrieren, auch wenn dies kein Trost ist, denn fünf Millionen Menschen sind obdachlos, ohne sauberes, trinkbares Wasser. Epidemien sind fast unausweichlich -trotz der weltweiten Hilfe, die einzigartig, aber manchmal doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Einheimische, Touristen und die Helfer werden in Sri Lanka von aus dem Boden gespülten Landminen bedroht, die jetzt überall herumliegen können. "Nichts ist mehr, wie es mal war und darum darf bei uns auch nicht alles so bleiben, wie es bisher war. Das setzt zunächst voraus, dass wir als Menschen Fragen stellen", betont Pfarrer Walter.

Und das Fragen setzt ein: "Ist die Katastrophe, die unsere Welt jetzt erlebt, ein Teil der in der Lesung gehörten Botschaft? Ist es schon später, als wir denken? Ist der Klimawechsel, ist die Umweltverschmutzung, sind wir selber schuld? Warum hat, konnte niemand warnen? Haben wir nicht eine ausgeklügelte Supertechnik? Kann uns das auch treffen?" Georg Walter versuchte Antworten zu geben: "Was können wir tun? Einige sagen. Beten! Ja, das sollten wir tun. Aber vielleicht mehr so, dass wir Gott reden lassen, statt selber zu reden und ihn überhören. Einige sagen: Spenden! Ja, das sollten wir tun. Aber vielleicht nicht als Entschuldigung dafür, dass wir uns selbst nicht verändern wollen."

Solidarität sei wichtig, aber nicht nach Stammtischart. Frauenhäuser brauchen Hilfe, Obdachlosenverbände, Strafgefangene, Pflegeheime, die Tafel, die Bahnhofsmission ... Politik, Kirchen brauchen Ideen und Bewegung. Walter: "Einige sagen: Nach einem gemeinsamen Ethos suchen! Ja, das sollten wir tun. Aber nicht mit der Angst, wir könnten etwas aufgeben oder verlieren, denn wer Angst hat, macht Angst ...." Niemand wisse, wie viel Zeit zur Veränderung bleibt.

Raphael Schmidt

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 1 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 06.01.2005

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps