Anbetung, eine Neuentdeckung
Netzwerk der Bautzener Klarissen war in kürzester Zeit grenzüberschreitend
Bautzen - "Offen für Gottes Überraschungen" lautete im Herbst der Titel eines TAG DES HERRN-Beitrags, in dem von den jüngsten Erfahrungen aus dem Bautzener Klarissenkloster zu lesen war. "Die Überraschungen gehen weiter", erzählte Äbtissin M. Assunta Paul vor einigen Tagen.
Eine Leipzigerin, die durch den Zeitungsartikel auf das Kloster aufmerksam geworden war und kurz darauf stille Tage bei den Klarissen der Ewigen Anbetung verbrachte, zeigte sich berührt von einem Gebet, das die Schwestern nach dem Stundengebet gemeinsam sprechen. "Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, hier und in allen deinen Kirchen, die auf der ganzen Welt sind ..." heißt es in diesem Gebet. Als die Äbtissin der Frau zuhörte, war sie sich plötzlich sicher, welchen Schritt Gott als nächstes von ihrem Kloster wollte: Andere Menschen dazu einzuladen, ebenfalls eine gewisse Zeit in ihrem Leben still bei Jesus im Tabernakel zu verbringen, sei es eine Stunde am Tag oder nur zehn Minuten im Monat.
Gebet kann ausstrahlen
"Eine Zeit bei Jesus in der Eucharistie ist keine verlorene Zeit, sondern stärkt die Beziehung zu Gott, ist ein Glaubenszeugnis und kann die Entscheidungen in Kirche und Welt beeinflussen", sind die Klarissen überzeugt. Mit allen, die bereit sind, sich darauf einzulassen oder die dies ohnehin schon praktizieren, wollen sich die Ordensfrauen, die als einzige im Bistum Dresden-Meißen den ganzen Tag über eucharistische Anbetung halten, in einem Netzwerk verbünden. "Wir vertrauen dabei auf die Zusage Jesu, dass, wo zwei oder drei in seinem Namen vereint sind, er selbst mitten unter ihnen ist", erläutert die Äbtissin. Auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch ganz unter sich waren, gründeten die Bautzener Schwestern am 8. Dezember, dem 150. Jahrestag ihrer Ordensgründung, das "Netzwerk Eucharistie". Bis zum Redaktionsschluss haben sich diesem Netz bereits 141 Frauen und Männer jeden Alters angeschlossen, und fast täglich kommen neue hinzu, aus allen Teilen Deutschlands, aus Österreich, Polen und Brasilien, angefangen bei der einfachen Rentnerin bis hin zum brasilianischen Bischof.
Gemeinschaft stärkt
Manche hatten zuvor noch keine Erfahrung mit eucharististischer Anbetung, andere suchen ihre Gotteshäuser bereits seit vielen Jahren als treue, einsame Beter auf und fühlen sich gestärkt durch das Bewusstsein, in eine Gemeinschaft eingebunden zu sein. Einige kommen aus dem Bekanntenkreis der Schwestern, bei etlichen wissen die Klarissen gar nicht, wie sie von der Initiative erfahren haben. Wer mitmachen möchte, teilt dies auf einer Postkarte mit. Darauf sollten Name, und Adresse stehen, die Kirche oder Kapelle, in der man für gewöhnlich betet und die Zeit, die man zur Verfügung stellen kann. Es soll keinesfalls um eine Gebetsleistung gehen, ist den Klarissen wichtig, sondern um eine Anregung, die Beziehung zu Jesus zu vertiefen. Zwei-, dreimal jährlich sollen die "Netzwerker" Rundbriefe mit kleinen Impulsen erhalten. Der Dresdner Bischof Joachim Reinelt dankte dem Kloster für den Vorstoß und bezeichnete ihn als wichtigen Beitrag für die aktuelle Bistums-erneuerung "Gemeinden im Aufbruch". Auch Kindern dürfe man zutrauen, ab und zu Jesus in der Kirche zu besuchen, sagt Äbtissin Assunta Paul. Erst kürzlich hat sie das wieder mit Erstkommunikanten erlebt, die sie einlud, eine Minute still in sich hineinzuhören, was Gott ihnen wohl sagen möchte. Ein Junge sagte nach dieser Zeit, er habe verstanden, dass er sich für Schwächere einsetzen soll. Ein Mädchen strahlte einfach: "Ich habe mich ganz wohl gefühlt."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.02.2005