Sternstunden des Glaubens
Ein Beitrag von Pater Damian Meyer
Wer einen hohen Berg erstiegen hat, erhält eine neue Sicht und Übersicht, einen neuen Horizont. Was beim Aufstieg am Berghang als mühsamer Umweg erschien, erweist sich aus der Sicht vom Gipfel aus als der sichere und gangbarste Pfad. Und der Bergsteiger entdeckt die Schönheit der Landschaft, die ihn staunen lässt. Und auch die Nacht erlebt er anders. Unter der Dunstglocke und dem künstlichen Licht einer Großstadt sind die Sterne nur als blasser Schimmer zu sehen. In der klaren Luft auf einem hohen Gipfel aber leuchten sie in all ihrer Klarheit und Pracht.
Petrus, Jakobus und Johannes wird ein Gipfel-erlebnis anderer Art zuteil. ,,Herr, es ist gut, dass wir hier sind", sagen die drei Jünger, als sie Jesus in all seinem Glanz erleben. Von diesem Glanz geht Wärme aus, Geborgenheit, die Hoffnung, dass jetzt alles gut wird. Es ist ein Aufscheinen des Zukünftigen. In diesem flüchtigen Moment wird offenkundig, wer Jesus in Wirklichkeit ist, für einen kurzen Augenblick wird seine verborgene Herrlichkeit offenbar. Eben noch hatte er den Jüngern die Ankündigung seines Leidens zugemutet; mit der Verklärungsszene wird deutlich, wohin der Leidensweg Jesu führen wird. Der Sohn Gottes wird nicht im Tod bleiben. Die Jünger wollen drei Hütten bauen, um das Erlebnis, diese ,,Sternstunde" als dauernd festzuhalten. Sie wollen gar nicht mehr in die Niederungen des Alltags hinabsteigen. ,,Verweile doch, du bist so schön!", so könnte man mit Goethes Worten die Glückseligkeit des Augenblicks festhalten. Doch Jesus führt die Jünger wieder in die Ebene hinunter, in den Alltag. Noch ist für uns Menschen kein Platz im Außergewöhnlichen, aber ich glaube, wir alle brauchen solche ,,Sternstunden des Glaubens", solche Lichtblicke und Ausblicke, Erlebnisse der Nähe und Zuwendung Gottes. Solche Momente, die ein Glücksgefühl in uns auslösen, sind nicht planbar, aber setzen voraus, dass wir offen und aufmerksam sind. Sie können uns geschenkt sein in der Meditation und im privaten Gebet, in der Feier der Liturgie, im Empfang eines Sakraments, aber auch in der Begegnung mit Menschen, die uns viel bedeuten. Und über solche Sternstunden, solche Gipfelerlebnisse sollte man sich mit anderen austauschen im Glaubensgespräch. Dadurch leben solche Momente wieder auf und helfen uns, den grauen Alltag zu bestehen.
Mit dem katholischen Pfarrer Roland Breitenbach wünsche ich uns allen: ,,Einen Berg wünsche ich dir, / wenn deine Stimmungen auf- und abwärts gehen / und du für morgen und übermorgen kein Land sehen kannst. // Ein Licht wünsche ich dir, / wenn dich Schweres und Dunkles belastet / und du dich nicht lösen kannst / aus den Verstrickungen des Alltags.// Eine Stimme wünsche ich dir,/ die dir sagt: Es ist gut, dass es dich gibt. / Es ist gut, dass du bist, wie du bist."
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.02.2005