Liturgische 'Aha'-Erlebnisse
Diskussionsabend über neue geistliche Musik
Dresden - "Zerstören Schlagzeug und E-Gitarre die Würde eines Gottesdienstes? Vertreiben neue Lieder die angestammten Kirchgänger?" Konflikte, die noch vor 30 Jahren Gemüter zu erhitzen vermochten, sind in den meisten Gemeinden schon lange kein Thema mehr.
Neues geistliches Liedgut, populäre Musikstile und moderne Instrumente haben sich in der Kirche etabliert. Bei einem Diskussionsabend im Dresdner Kathedralforum mit dem Liedermacher Ludger Edelkötter wurde am vergangenen Sonntag jedoch deutlich, dass bestimmte Voraussetzungen zu beachten sind, damit junge Musik wirklich eine Bereicherung für die Gottesdienste ist.
Dazu gehört nach Ansicht von Guido Erbrich, Leiter des Bistumskinderchores, in erster Linie der Anspruch bestmöglicher Qualität, der im Übrigen aber auch für traditionelle Kirchenmusik gelte. Der Dresdner Musikwissenschaftler, Dr. Gerhard Poppe verwies auf die Notwendigkeit, die Gesetzmäßigkeiten der Liturgie gut zu kennen und sensibel mit ihnen umzugehen. Andernfalls könne die Musik, anstatt zum Wesentlichen des Gottesdienstes hinzuführen, daran vorbeizielen.
In diesem Sinne gelungene junge Kirchenmusik habe im Bistum Dresden-Meißen in den vergangenen Jahrzehnten sehr positive Wirkungen gehabt, erläuterte Guido Erbrich. Gerade Jugendlichen habe sie oftmals einen emotionalen Zugang zur Liturgie und zum Glauben geöffnet und damit dazu beigetragen, dass sie sich dauerhaft in der Kirche beheimatet fühlten. Manchmal sei die Musik auslösend für das "Aha"-Erlebnis "Das Gottesdienstgeschehen hat ja etwas mit meinem Leben zu tun!" Zudem sei durch die populäre Musik in gutem Sinne ein Stück Welt in die Kirche hereingekommen. Erbrich hob insbesondere die Gospelmusik hervor, die sich vielfach als verbindendes Element zwischen den Generationen erwiesen habe.
Als hervorragenden Wegbereiter für junge Musik stellte er den Dresdner Prälaten Dieter Grande heraus. Auf Grandes Anregung hin waren bereits Ende der 50er Jahre Jugendbands in seinen Kaplans-Gemeinden Chemnitz- Propstei und Leipzig-Gohlis entstanden. Von 1960 an organisierte er jährlich Konzerte neuer geistlicher Musik im Erfurter Priesterseminar, um die dortigen Theologen mit dieser Musikrichtung bekannt zu machen. Grande, der selber Saxophonist ist, trug auch dazu bei, dass Stücke westdeutscher Komponisten und Liedermacher in der DDR Verbreitung finden konnten. "Manchmal mussten wir die Texte ein wenig abhändern", erinnert Prälat Grande sich schmunzelnd. So wurde aus Peter Janssens Liedzeile "Lasst uns hinausziehen in ein anderes Land" ein "... hinaufziehen ..." Bands aus dem Bistum Dresden-Meißen räumten sogar Preise ab, unter anderem einen internationalen Radiopreis und Auszeichnungen bei internationalen Festivals in Polen.
Die Dresdner Band "Gospel train", die Anfang der 60er Jahre mit Dieter Grandes Unterstützung gegründet worden war und die mehr als 30 Jahre lang aktiv war, fand sich anlässlich des 75. Geburtstags des Prälaten Ende Februar noch einmal zu einem Dankeschön-Konzert zusammen.
Nach 1990 setzte sich Grande insbesondere für die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Junge Musik ein (AGJM), die Bands im Bistum Dresden-Meißen fördert.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 04.03.2005