Klare Begriffe
Ein Beitrag von Pater Damian Meyer
Nicht nur die Diskussion um "Hartz IV" hat gezeigt, was unklare Begriffe, Halbwahrheiten und konfuse Darstellung an Verwirrung und Irritation auslösen können. Klare Worte schaffen verlässliche Information, sie "klären auf", bringen Licht in das dunkle Gestrüpp der vielen Reden und Statements, die wir täglich hören. Die Weisheit des Konfuzius (551 bis 479 v. Chr.) ist hier von großer Hilfe: "Der Schüler Zi-lu sprach zu Konfuzius: ,Wenn Euch der Herrscher des Staates die Regierung anvertraute - was würdet Ihr zuerst tun?' Der Meister antwortete: ,Unbedingt die Namen richtig stellen.' Darauf Zi-lu: ,Damit würdet Ihr beginnen? Das ist doch abwegig. Warum eine solche Richtigstellung der Namen?' Der Meister entgegnete: ,Stimmen die Namen und Begriffe nicht, so ist die Sprache konfus. Ist die Sprache konfus, so entstehen Unordnung und Misserfolg. Gibt es Unordnung und Misserfolg, so geraten Anstand und gute Sitten in Verfall. Sind Anstand und gute Sitten in Frage gestellt, so gibt es keine gerechten Strafen mehr. Gibt es keine gerechten Strafen mehr, so weiß das Volk nicht, was es tun und was es lassen soll. Darum muss der Edle die Begriffe und Namen korrekt benutzen und auch richtig danach handeln können. Er geht mit seinen Worten niemals leichtfertig um' " (Lun Yu, XIII,3). Konfuzius ist immer noch aktuell. Unter verschiedenen totalitären Regimen haben die Menschen erfahren müssen, wie Grundbegriffe und Grundwerte wie Recht und Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde, Verantwortung und Gemeinwohl einfach im Sinne des Systems mit neuem Inhalt gefüllt wurden. So konnte man Menschen manipulieren und sich noch den Anschein des Rechts geben.
Wie steht es heute in unserer Gesellschaft? Ist nicht unsere Sprache auch oft konfus, weil wir die Begriffe, die wir gebrauchen, nicht genau definieren? Was wird zum Beispiel alles unter den Begriff "Freiheit" verpackt? Wer sagt genau, was er unter "Gerechtigkeit" versteht? Geraten nicht Anstand und gute Sitten in Verfall, wenn Betrug und Korruption als "Kavaliersdelikte" hingestellt werden? Wenn übertriebener und rücksichtsloser Individualismus als "Selbstverwirklichung" bezeichnet wird, auf die jeder doch ein Recht hat? Begriffe und Bezeichnungen für Werte können sich mit den gesellschaftlichen Bedingungen verändern, doch sie gelten weiter unter anderen Namen. So ist zum Beispiel aus dem belasteten Wort Tapferkeit "Zivilcourage" geworden, aus dem etwas verstaubten Wort Tugend "sittliche Grundhaltung des Menschen". Es muss jeweils klar gesagt werden, was mit einem bestimmten Wort gemeint ist. Edel ist, wer deutlich redet! Nach der christlichen Tradition ist es die Kardinaltugend der Klugheit, die den Menschen befähigt, die Wahrheit der wirklichen Dinge zu erkennen und danach seine Entscheidungen zu treffen.
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 14.03.2005