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Aus der Region

Schmerzhafter Wandel

Hartz-Reformen nur Kosmetik?

Niels Krap: Bedingungen für Unternehmen im Osten verbessern.

Die Arbeitslosenzahlen in Deutschland steigen weiter. Durch das Arbeitslosengeld II gibt es keine Dunkelziffern mehr -das ganze Ausmaß der Katastrophe scheint jetzt erst deutlich zu werden. Sind die von der Bundesregierung in Gang gesetzten Maßnahmen tatsächlich ein Schritt in die richtige Richtung gewesen? Der TAG DES HERRN sprach darüber mit dem Dresdner Wirtschaftswissenschaftler Niels Krap.

Frage: Was haben die Hartz-Reformen aus Ihrer Sicht gebracht?

Krap: Man muss zwischen Ost und West unterscheiden. Die Hartz-Reformen haben im Kern das Anliegen, den Menschen zu fördern und wieder in Arbeit zu bringen. Der Arbeitslose soll aber auch gefordert werden. Das tut man, indem man die finanziellen Anreize, arbeitslos zu sein, herabsetzt. Das Problem im Osten ist, dass dieser Ansatz ins Leere schlägt -einfach deswegen, weil es hier nicht genügend Arbeit gibt. Das muss man leider so hart sagen. Im Westen ist das Paket der Bundesregierung mehr als berechtigt, weil es hier viele gibt, die die Arbeitslosigkeit gewissermaßen zum Lebensinhalt gemacht haben und den Staat dafür noch abkassieren. Die wirtschaftlichen Effekte im Ganzen werden allerdings gering ausfallen. Die Arbeitslosigkeit wird nicht spürbar sinken.

Frage: Deutschland als Wirtschaftstandort, wird auch international immer unattraktiver. Wo liegen hier die Ursachen?

Krap: Vor allem liegt es an unserer Gesellschaft. Jeder, der jetzt etwas hat und wofür er auch gearbeitet hat, möchte das nicht abgeben. Man muss zudem bedenken, dass inzwischen fast 50 Prozent der Deutschen ihre Einkommen aus Beiträgen, die sie irgendwann mal eingezahlt haben, oder staatlichen Zuwendungen wie das Arbeitslosengeld empfangen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht müsste man zum Beispiel die Renten sofort drastisch senken, um das ganze System noch einigermaßen aufrecht zu erhalten. Das wird sich aber aus politischen Gründen keine Bundesregierung leisten können. Daher wird man auch in Zukunft sagen: Die Renten sind sicher. Letztlich sind es handfeste politische Interessen, die durchschlagende wirtschaftliche Reformen in Deutschland verhindern. Was jetzt gemacht wird, sind lediglich kosmetische Korrekturen.

Frage: Was muss wirklich passieren?

Krap: Wir müssen uns wahrscheinlich von der Vorstellung verabschieden, dass die jetzige oder auch eine zukünftige Bundesregierung die Arbeitslosigkeit vollkommen abschaffen kann. Gearbeitet werden muss vor allem an der Bildung, um den künftigen Arbeitnehmern ein breites Spektrum an Möglichkeiten zu bieten. Allerdings muss man auch hier fragen, warum der Student seine Ausbildung kostenlos bekommt und dafür später auch noch ein höheres Einkommen erwartet. Was man besonders im Osten verbessern muss, sind die wirtschaftlichen Bedingungen für Unternehmen, die schließlich in Arbeit investieren.

Frage: Der Osten soll also zum Billiglohnland werden?

Krap: Die Gefahr besteht. Aber man muss letztlich sehen, dass die Entwicklung in Polen und in Tschechien wirtschaftlich gesehen gesünder war als die in Ostdeutschland. Der Osten Deutschlands wurde künstlich erhalten. Der Wandel -oder besser die Realität -ist jetzt sehr schmerzhaft.

Frage: Was können die Kirchen tun?

Krap: Kirchen spielen vor allem bei der Gewissensbildung der Menschen eine wichtige Rolle. Steuern zu sparen oder Vergünstigungen vom Staat zu kassieren erscheint heute als selbstverständlich. Kirchen sollten wieder stärker daran erinnern, was der Einzelne selbst für das Gemeinwohl und für das Fortkommen der Gesellschaft tun kann.

Interview: Andreas Schuppert

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 5 des 55. Jahrgangs (im Jahr 2005).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 14.03.2005

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